Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
schleichen. Was für ein Name für einen Hund. Ich bewege mich sicherheitshalber nicht, das gefällt Reblaus, er beginnt mich hingebungsvoll abzuschlecken. Säubert er mich nur, bevor er mich frisst? Unsinn, Mira, der ist tatsächlich harmlos. Ich kraule seinen Kopf und er stößt Laute aus, die mich mehr an Gismo als an einen Hund erinnern, so eine Art wohliges Grunzen. Wo wird die Weinpräsentation stattfinden? Hier?
Bekommen die Japaner auch etwas zu essen?
„Wir lassen das Essen liefern“, erklärt Eva Berthold. „Es gibt eine sehr gute Fleischhauerei bei uns, der Sohn hat sie übernommen, fünfundzwanzig oder so sind er und seine Frau erst und sie legen sich richtig ins Zeug, Winzerjause ohne Schrecken für Japaner. Die mögen diese riesigen überhäuften Platten nicht so gern, also wird alles leichter und auf kleinen Tellern angerichtet mit viel dünn geschnittenem Obst und Gemüse dazwischen, die machen das besser, als wir das je könnten. Und sie sind nicht einmal teuer. Zumindest noch nicht.“
Ein schlankes Mädchen in Jeans und Norwegerpullover stürmt in die Küche, stutzt kurz, als sie fremde Gesichter sieht, sagt anstelle einer Begrüßung: „Heut kommen die Japaner, oder?“
Eva Berthold seufzt. „Wie wär’s mit Grüßen?“ Sie stellt uns vor, Martina gibt uns die Hand, sie hat die dichten braunen Locken ihrer Mutter und die blitzblauen Augen ihres Vaters. „Papa hat gesagt, ich darf zwei Weine präsentieren.“
„Wie war es in der Schule?“
„Na ja. Der Lercher, der Mathelehrer, hasst mich.“
„Unsinn, du wirst nicht gelernt haben.“
Martina besucht ein Halbinternat, erfahre ich, am Wochenende kommt sie heim. In allen Fächern, die mit praktischem Weinbau zu tun haben, stehe sie auf „sehr gut“. Das interessiere sie eben, in den Lernfächern seien ihre Noten nicht ganz so gut.
„Ich will eben Weinbau lernen und basta“, sagt sie, „ich seh eh nicht ein, wozu ich die Matura machen muss.“
Eva Berthold lächelt, man merkt, diese Diskussion hat sie schon oft geführt. „Ihr erstes Wort, das sie gesprochen hat, war nicht Papa oder Mama. Sie war spät dran mit dem Reden, wir sind im Auto gefahren und Hans hat unseren Sohn Christian gefragt, was das für ein Fahrzeug sei, das wir gerade überholen. Martina hat hinausgesehen und laut und deutlich ‚Lesewagen‘ gesagt.“
Martina ist stolz auf diese Geschichte, das merkt man. „Ich kann Traktor fahren, seit ich acht bin.“
Die Weinbäuerin seufzt. „Manchmal wär’ es mir lieber, sie wär’ nicht ganz so burschikos.“
Es beginnt zu dämmern. Peter ist zurück nach Wien gefahren, er muss noch für eine andere Reportage Fotos einrichten und versenden, am Abend soll er wieder da sein. Japanische Weineinkäufer machen sich in unserer Story gut, da bin ich mir sicher. Ich lasse mich überreden, im Gästezimmer ein Nickerchen zu machen. Warum ich nur so müde bin? Wahrscheinlich dieses Frühaufstehen wegen des dämlichen Presslufthammers. Und dann die vielen Eindrücke, der neue Job, der zwar so neu nicht ist, aber Chefreporterin …
Ich wache auf, als es an die Tür klopft. Im ersten Moment erkenne ich die Frau nicht, die da hereinschaut: eine schlanke Gestalt im Dirndlkleid, ein rotes Halstuch, beinahe neckisch gebunden, Ausschnitt, aber nicht zu tief. Ich versuche es noch einmal mit dem Aufwachen, das Bild bleibt.
„Meine Tochter bringt Sie nach drüben, wenn’s recht ist. Haben Sie gut geschlafen?“, fragt Eva Berthold.
Schwarze Jeans, Samtjacke, das muss reichen, ich kann nichts Trachtiges bieten, und ich gebe zu, dass mir Derartiges ohnehin schon immer verdächtig war. Selbst Martina trägt etwas, das an bäuerliche Tradition erinnern soll: roter Leibkittel aus Leinen, dazu ein rotes Band in ihren Locken. Sie bemerkt meinen Blick. „Für die Japaner“, erklärt sie, „die stehen auf so was und wir wollen unseren Wein verkaufen.“
Wir gehen durch den Hof nach hinten zum rückwärtigen Tor, das jenem zur Straße hin gleicht. Martina lässt es auf- und wieder zugleiten. „Wir können mit den Traktoren und den meisten Anhängern durchfahren“, erklärt sie. Hinter dem Haus führt ein mit alten Ziegeln begrenzter asphaltierter Weg zur Kellergasse hinauf. Ruhig und verschlafen liegt sie da, Kopfsteinpflaster, zwei hohe Weiden. Das kleine Kellerhaus, bei dem der Weg in die Kellergasse mündet, ist grün und gelb bemalt – dieselben Farben wie am Wohnhaus, derselbe Schriftzug über dem Eingang. Dahinter, aus
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