Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
haben wir hiermit noch gepresst“, sagt er und streichelt über das alte Holz. „Jetzt gibt es so etwas nur noch für die Touristen da und dort, auch die hier ist nur noch ein Ausstellungsstück. Kein Wunder, dass die Weinqualität um vieles besser geworden ist. Genau hat man mit so einem Ding nie arbeiten können. Und hygienisch schon gar nicht.“
Ich fahre spät in die Redaktion, habe nur noch einige Fotos für die Fußballerfrauen-Reportage einzurichten, raffe mich dann auf, daheim vorbeizuschauen. Die arme Gismo. Es ist schlimmer, als ich es in Erinnerung hatte. Es tropft zwar nicht mehr, aber alles hat sich vollgesogen, es dampft wie in einem Kunststoff- und Holz- und Schutthaldendschungel. Ich öffne alle Fenster. Gismo begleitet mich, hebt vorsichtig eine Pfote nach der anderen, als könnte sie unvermutet auf tieferes Wasser stoßen. Den Parkettboden wird man herausreißen müssen. Er ist sicher hundert Jahre alt, mit ein Grund, warum mir diese Wohnung so gut gefallen hat. Oder gibt es eine Chance, dass er ohne Verwerfungen trocknet? Die Hausverwaltung hat sich heute bei mir nicht gemeldet, aber ich erkenne, dass jemand in der Wohnung gewesen ist. Das ist mir gar nicht recht. Hier hat niemand ohne mein Wissen zu sein. Wenn Reblaus nicht wäre, ich würde Gismo mit nach Treberndorf nehmen. Morgen kommt Oskar zurück. Ich muss eine Entscheidung treffen. Am besten vielleicht, ich lasse Gismo bei Frau Müller, bis alles geklärt ist. Dort kennt sie sich aus, und Frau Müller liebt meine Katze, sie hat nur deswegen keine eigene, weil sie fürchtet, vor ihr zu sterben.
Ich gehe hinunter zu Frau Müller, läute. Keine Antwort. Seltsam. Sie ist eigentlich so gut wie immer zu Hause. Ich läute noch einmal. Die Nachbartür öffnet sich. Der Hausvertrauensmann späht heraus, von Vertrauen ist zumindest bei mir keine Spur, er wohnt angeblich schon seit der Zwischenkriegszeit hier, in der Nazizeit war er sicher Blockwart, und mich kann er sowieso nicht ausstehen, Journalisten sind ihm verdächtig. Vielleicht ist er auch gar nicht so schlimm, aber er mag mich nicht und ich mag ihn nicht.
„Was wollen Sie von ihr?“, fragt er misstrauisch.
„Ist sie nicht zu Hause?“
„Nein.“ Er will die Türe wieder schließen.
„Warten Sie“, ich renne zu seiner Wohnung hinüber, „was ist mit ihr?“
„Warum wollen Sie sie sprechen?“
Ich seufze. „Wegen meiner Katze.“
Katzen mag er auch nicht, er veranstaltet jedesmal einen Riesenzirkus, wenn mir Gismo ins Stiegenhaus entkommt. Und als sie damals auf die Straße gelaufen ist und fast totgefahren worden wäre, da hatte ich lange den Verdacht, er hat sie einfach hinausgelassen.
„Sie ist im Altersheim.“ Triumph in der Stimme.
Ich bin betroffen, ich habe mich in den letzten Monaten viel zu wenig um sie gekümmert. „Geht es ihr schlecht?“
„Sie ist alt.“
Er ist sicher um einiges älter.
„Wo ist sie?“
„Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen Auskunft zu geben.“
Okay, Freundchen, dann anders. Zuckersüß: „Ach so, Sie wissen es nicht.“
„Natürlich“, kommt es empört zurück.
Wenig später habe ich die Adresse und mache mich auf den Weg zu Frau Müller. Das bin ich ihr schuldig, sie war mir die Liebste von allen Hausbewohnern, ganz abgesehen davon, dass sie mir so oft mit Gismo ausgeholfen hat. Wenn sie eine Seniorenwohnung hat, vielleicht kann sie Gismo doch für ein paar Wochen …
Aber in Frau Müllers Seniorenwohnheim herrscht Tierverbot.
„Wegen der Hygiene“, erklärt sie und schüttelt bedauernd den Kopf. Ansonsten fühle sie sich sehr wohl da. Sie habe sich zu entschuldigen, dass sie sich nicht abgemeldet habe. Sie sei ein paarmal gestürzt, da hätten ihre Kinder gemeint, es sei besser, wenn sie ins Seniorenheim gehe. „Und ich sehe das auch so, obwohl ich doch sehr an meiner alten Wohnung hänge.“ Alles sei überraschend schnell gegangen.
Ich habe zwei Flaschen Berthold-Wein mitgebracht, sie freut sich darüber und besteht darauf, eine davon sofort zu öffnen. Den Weißen habe ich in den kleinen Kühlschrank in der Kochecke gestellt, er ist zu warm.
Wir kosten den roten, ich habe eine Flasche Cuvée Lissen mitgebracht. Frau Müller nickt andächtig. „Schon lange habe ich nichts mehr so Gutes getrunken. Wissen Sie, als wir jung waren, sind wir jedes Wochenende in die Wiener Heurigengegenden gefahren, da war schon damals viel los, aber jetzt … ist das nur noch etwas für die, die keine Ahnung haben. Mein Vater hat Wein
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