Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
meinen Zeigefinger in den Korb und zucke zurück. Bestie. Sie hat mich blutig gekratzt. Ich schreie sie an, für einen Moment ist es angenehm ruhig. Dann geht das Gejammer weiter, vielleicht ist ihr einfach schlecht? Nicht auch das noch. Man soll Katzen nicht aus ihrer Umgebung reißen. Aber bei mir zu Hause wird in den nächsten Wochen saniert. Wenigstens bin ich den grauenvollen Lärm vom Dachboden los. Den Parkettboden wollen sie retten. Hoffentlich gelingt es. Gismo, halt endlich den Mund!
Nach zwei Wochen habe ich mich halbwegs an den Rhythmus des Weinbauernlebens gewöhnt. Ich weiß inzwischen auch, dass niemand von mir erwartet, dass ich mit den anderen um sechs in der Früh aufstehe. Wenn ich höre, dass alle im Haus munter werden, drehe ich mich einfach um und schlafe weiter. Gismo bleibt im Gästezimmer eingesperrt, Reblaus ist ein freundlicher Schäferhund, aber ich weiß nicht, ob sich das auch auf seinen Umgang mit Katzen bezieht. Der große Kater, der zum Hof gehört hat, ist einfach ausgezogen, als Reblaus gekommen ist. Er wohnt jetzt einige Häuser weiter beim Elektriker von Treberndorf. Wahrscheinlich hat er gewusst, was er tut. Gismo sitzt die meiste Zeit am Fenster zum Hof und starrt hinaus. Aber das Programm, das ihr geboten wird, ist deutlich vielfältiger als jenes im fünften Stock in Wien. Da kann sie mit etwas weniger Platz schon leben.
Die Bank sitzt den Bertholds immer noch im Nacken. Eva arbeitet, so hart sie kann, sie treibt alle anderen an, der Weinverkauf geht weiter, mehr noch: Einige Sorten sind bereits jetzt ausverkauft, sie überlegt zuzukaufen. Ich bin verblüfft. Wie kann sie Wein von anderen Winzern kaufen und mit ihrem Namen etikettieren? Der schmeckt doch anders als ihrer?
Eva lächelt bloß. „Das machen alle. Wir schwindeln wenigstens beim Qualitätswein nicht und auch nicht bei den prämierten Weinen, unser Riesling schmeckt schon anders als der vom Josef Zauner, so nett der ist und so sauber der auch arbeitet. Aber bei der Liter- und der Doppelliterware, da kann man das schon machen, man darf es auch. Und ich kaufe ja nichts, das nicht passt.“
Heute Abend nimmt mich Eva mit zur Vorbereitungssitzung für das Dorffest. Hans war als Chef des Treberndorfer Weinladens einer der Obermacher bei den örtlichen Festen. Eva seufzt. „Für uns Frauen ist das aber auch eine Menge Arbeit. Wir helfen genauso wie die Männer bei den Vorbereitungen, und dazu müssen wir noch backen. Drei, vier Süßspeisen werden von jeder von uns verlangt, der Erlös des Festes wird dann für Gemeinschaftsprojekte verwendet. Heuer soll an den Weinladen ein Nebenraum angebaut werden, wir haben einige, die Erdäpfel, Gemüse und Derartiges direkt verkaufen wollen.“ Und der Stiegenaufgang zur Kirche gehöre dringend saniert, auch dafür müsse Geld hereingeholt werden. Zum Glück habe sie Ana, aber wenn Ana backe, dann fehle ihre Arbeitskraft anderswo.
Wir betreten den Saal des Gasthauses, merken, dass sich viele Köpfe zu uns drehen, ich sehe auf die Uhr: Wir sind nicht zu spät dran, auch sonst ist an uns nichts Besonderes. Sieht so aus, als hätten sie gerade über Eva Berthold geredet. Ich lächle, entdecke zwei freie Plätze, deute dorthin. Eva nickt erleichtert. Der Mann links von uns gibt Eva und mir die Hand. „Josef Zauner“, flüstert sie, „ein guter Freund von uns und jetzt Obmann des Weinladens.“
Wir bestellen Getränke und Speisen, ich sehe, dass auch Aichinger senior da ist, alle warten auf den Bürgermeister. Der erscheint auf die Minute pünktlich, Lehrer im Hauptberuf. Ich warte schon, dass er „setzen“ sagt, aber wir sitzen ja ohnehin schon alle.
Nach der Besprechung streben die meisten eilig heimwärts, die anderen gehen vor an die Schank, trinken noch ein Gläschen. Wir gesellen uns dazu, Milli, eine der beiden Frauen, die Eva nach dem Tod von Hans unterstützt haben, ist auch da. Wir merken wieder, dass man uns ansieht, es wird getuschelt. Hans Berthold ist fast drei Monate tot, wird Eva nie mehr in Ruhe gelassen werden? Oder es gibt Neuigkeiten, bloß sie weiß noch nichts davon. Ich setze mich an einen der Tische im Schankraum und winke Eva und Milli zu mir. „Irgendetwas ist im Busch“, sage ich, nachdem wir über das beste Karottentortenrezept, das kommende Dorffest und den aktuellen Zustand von Viktor, einem Weinbauern, der den Großteil seiner Produktion selbst trinkt, geredet haben. Milli ist eigenartig distanziert, aber das liegt wohl an meiner Gegenwart.
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