Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
zwischendurch mit etwas schlechtem Gewissen in die Sonne. Bei den Bertholds hat dafür niemand Zeit. Franjo versucht für zwei zu arbeiten, auch Josef und Jirji sind fleißig, es konnten keine weiteren Arbeiter aufgetrieben werden. Eva hat versucht, einige der alljährlichen Lesehelfer schon früher zu bekommen, doch auch das hat nicht geklappt, sie haben alle ihren Job und kommen in ihrem Urlaub zur Weinlese hierher.
Meine Reportage über die Salzburger Festspiele und das Rundum ist pünktlich zur Eröffnung erschienen. Kaiser hat seinen Sponsoringvertrag noch nicht erfüllt. Aber leider hat der Chefredakteur die Story in die Hände bekommen und gemeint, meine Privatfehden solle ich besser anderswo austragen. Und wenn es mehr Material über etwaige wirtschaftliche Schwierigkeiten von Kaiser gebe, dann solle ich mich mit der Wirtschaftsredaktion absprechen. So sei das Thema keine Zeile wert, noch dazu, wo es Probleme mit viel größeren Verträgen gebe. Wenn, dann solle ich darüber berichten. Ich habe einen Absatz über die Schwierigkeiten mit dem Sponsoring geschrieben und Kaiser in einem Halbsatz erwähnt. Man sollte Gerold den Artikel schicken. Wie? Etwa anonym? Das ist nicht mein Fall.
Ich berate mit Eva, wie man Näheres über die Lage bei Kaiser herausfinden könnte. Auch sie hält nichts davon, dem deutschen Weingroßhändler meine Reportage anonym zu schicken. Aber offen? Das würde allzu kleinlich wirken. Wir sitzen im Hof, die Sonne ist längst untergegangen, die alten Ziegel geben immer noch Wärme ab. Gismo starrt vom Baum zu uns herunter, sie ist zu einer Art Freiluftraubtier mutiert, nur hin und wieder kann ich sie überreden, bei mir im Zimmer zu übernachten. Aber da steht sie dann schon in der Morgendämmerung auf dem Fensterbrett, miaut und will nach draußen. Vesna ist am Abend heim zu den Zwillingen gefahren, ich habe ihr mein Auto geliehen, ihre Maschine soll sie lieber hier in der Gegend ausführen. Das Ungetüm lehnt am Schuppen, und es sieht so aus, als täte selbst ihm die Landluft gut. Die Grillen zirpen, singen schon fast, von irgendwoher sind Baumfrösche zu hören. Fast karibisch. Ich erinnere mich an jene Zeit im letzten Jahr und schenke mir noch ein Glas vom Veltliner ein. Evas Mobiltelefon meldet ein SMS. Sieh an, wer sendet ihr so spät eine Nachricht? Sie wird doch nicht einen heimlichen Verehrer haben? Ich sehne mich nach Oskar. Aber der ist wie jeden Sommer mit seiner Mutter für zwei Wochen ins Salzkammergut gefahren. Ich hätte mitkommen können. Aber erstens bin ich kein besonders ausgeprägter Familienmensch, zweitens ist mir seine Mutter nicht ganz geheuer, ich bin mir sicher, sie wäre sehr gekränkt, würde ich die Zweisamkeit zwischen ihr und ihrem Sohn stören, und drittens laufen mir im Salzkammergut viel zu viele Künstler, Intellektuelle und solche, die sich dafür halten, herum – dass sie das zum Teil in Lederhosen tun, macht die Sache für mich um nichts besser. Außerdem: Hier im Weinviertel ist es endlich warm, im Salzkammergut wird es das nie, da bin ich mir sicher. Ich werde Oskar noch heute Nacht ein liebevolles SMS schicken und ihm sagen, dass ich an ihn denke.
Eva hat die Mitteilung gelesen, sie schweigt.
„Na?“, sage ich.
„Das SMS? Ach, vom Rebschutzdienst. Der Sauerwurm ist geschlüpft. Auch das noch.“
„Wie bitte?“
Sie lacht leise. „Der Sauerwurm. Er frisst die Beeren an, die faulen und mit etwas Pech bekommt die Traube einen Essigstich. Also muss man dagegen spritzen. Wir werden gewarnt, wenn er schlüpft.“
„Per SMS?“
„Ein Sammel-SMS, ein Handy hat heute einfach jeder.“
Für mich klingt die Message wie eine kodierte Botschaft aus einem Spionagethriller: Der Sauerwurm ist geschlüpft. Du liebe Güte.
Ich schenke uns nach, auch Eva genießt die Stimmung, wir übersehen die Zeit. Es ist schon fast Mitternacht, als wir aufstehen und ins Haus gehen. Ich räume die leere Weinflasche weg, stelle die Gläser in den Geschirrspüler.
Aufgeregte Stimmen aus dem Hof. Eva wollte die Kissen der Gartengarnitur wegräumen. Ich höre sie und Martina, Martina klingt etwas verschwommen. Sie kommt ins Haus, geht durchs Vorzimmer in die Küche, hält sich am Küchentisch fest. Sie ist betrunken. Eva hinter ihr drein, sie macht ihr Vorhaltungen, fragt sie aus. Seit einigen Tagen ist klar, dass sich Martina in Simon verliebt hat. Sie ist viel mit ihm unterwegs, schminkt sich neuerdings, fragt mich immer wieder, ob ihr das Kleid auch stehe oder
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