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Weine ruhig

Weine ruhig

Titel: Weine ruhig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aliza Barak-Ressler
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Dorfes erreicht, ging ich schneller. Dann rannte ich fast über das weite Feld zum Wald hinüber. Die Päckchen waren schwer, aber ich war voller Stolz und spürte die Last kaum. Es war genug Essen für mindestens drei Tage.
    Ich erreichte einen Baum mit weit ausladenden Ästen und war mir sicher, dass ich an dieser Stelle den Wald verlassen hatte. Jetzt würde ich nur noch dem Weg zwischen den Bäumen folgen müssen, um zurück zu meiner Familie zu gelangen. Ich suchte nach den ersten Zeichen - dem Steinhaufen und der Markierung am Baumstamm -, aber ich fand sie nicht. Angst durchzuckte mich: Was, wenn ich den Rückweg nicht fand? Was, wenn das die falsche Stelle war?! Ich ging langsam am Waldrand entlang und suchte alles sorgfältig ab.
    Endlich entdeckte ich ein Steinhäufchen. Ich fand den Baum mit der abgeschälten Borke, und mit einem unendlichen Gefühl der Erleichterung ging ich weiter. Alle Zeichen, die ich hinterlassen hatte, fand ich nun, aber als ich bereits eine ganze Weile durch den Wald gelaufen war, wunderte ich mich, dass ich meine Eltern und Geschwister nicht schon längst gefunden hatte. Der Weg kam mir endlos vor, viel länger als vorher. Die Päckchen wogen immer schwerer, und ich hatte Angst, mich verlaufen zu haben und nie mehr zurückzufinden. Plötzlich fielen mir längst vergessene schreckliche Geschichten von Menschen ein, die sich im Wald verirrten und von denen man nie wieder etwas gehört hatte. Mein Mund wurde trocken, Angst schnürte mir die Kehle zu, aber ich ging weiter.
    Wenige Minuten später hörte ich ein Geräusch, es klang wie ein Weinen. Langsamen Schrittes ging ich weiter. Was für eine Freude und Erleichterung, als ich die Stimmen meiner Familie erkannte! Ich rannte los, die Zweige schlugen mir ins Gesicht. Ich stolperte und fiel sogar mehrmals hin. Aber als ich sie erreichte, bot sich mir ein schrecklicher Anblick: Vater stand mit hängenden Armen vor Mutter, die weinte und jammerte und ihn mit Fäusten bearbeitete und schrie: »Du hast deine Tochter in den Tod geschickt! Herr im Himmel, warum habe ich zugestimmt? Wir sollten uns ergeben, uns zum Transport melden, denn nur dann werde ich mein Mädchen wiedersehen!«
    Dann sahen sie mich und wurden ganz still. Mutter ließ wie benommen die Arme sinken. Vater rannte mit Tränen in den Augen auf mich zu, nahm mir die Päckchen ab, umarmte mich und flüsterte: »Mein Liebling, Gott hat dir befohlen, uns zu helfen, und du warst abermals erfolgreich. Dies ist ein weiteres Zeichen, und wir werden mit Sicherheit das Inferno unbeschadet überstehen.«
    Mutter weinte weiter leise vor sich hin, aber diesmal waren es Tränen der Freude und Erleichterung. Auch sie umarmte mich, und dann setzte sie sich hin, sie war vollkommen erschöpft. Vater untersuchte die Päckchen. Als er die Wurst sah, fragte er nichts, aber ich sagte entschuldigend: »Vater, das ist Pferdefleisch, aber es ist Krieg, und Rindfleisch ist schwer zu bekommen.«
    Vater sagte nichts, aber er rührte die Wurst nicht an. Wir Mädchen und Mutter verspeisten sie hingegen mit großem Appetit. Dank der Lebensmittel waren wir in der Lage, uns noch ein paar Tage länger im Wald zu verstecken und in die Richtung eines noch weiter entfernten Dorfes zu gehen, von dem Vater gehört hatte.
    Abschied vom Leben im Wald
    Die Lebensmittel, die ich im Dorf gekauft hatte, waren nach drei oder vier Tagen verbraucht, obwohl wir sehr sparsam damit umgingen. Die Tage wurden kürzer und die Nächte kälter. Wir beschlossen, den schützenden Wald zu verlassen und uns auf den Weg zu einem der Dörfer der Umgebung zu machen, in der Hoffnung, uns dort irgendwo verstecken zu können - und mit etwas Glück einem barmherzigen Bauern zu begegnen. Nur wenn wir einen Menschen trafen, der uns verstecken und nicht den Behörden übergeben würde, hatten wir eine Überlebenschance. Wir wussten sehr genau, dass jeder, der uns versteckte, mit einer harten Bestrafung rechnen musste und sein eigenes Leben sowie die Sicherheit seiner Familie aufs Spiel setzte. Die wenigsten Menschen versteckten Juden, die meisten arbeiteten mit den Nazis zusammen und verrieten die Juden. Die Entscheidung, den Wald zu verlassen, fiel uns daher nicht leicht. Aber wir hatten keine Wahl.
    Wir sammelten unsere wenigen Habseligkeiten zusammen und marschierten in die ebene Landschaft, die sich bis zum Horizont erstreckte. Wenn jemand gesehen hätte, wie wir aus dem Wald kamen und vorsichtig in alle Richtungen sahen, wie gejagte

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