Weinland & Stahl
Und in dem Chaos, in das dieses Labor verwandelt worden war, würde sie nicht einmal mehr eine wie auch immer geartete Spur dessen finden, den zu töten sie hier war.
Die Mitte des Raumes hatte einmal ein gläserner Tank eingenommen, wie Heaven sie auch bei Salem Enterprises gesehen hatte. Jetzt war das Behältnis zertrümmert, der zähe Brei hatte sich daraus ergossen und bildete einen schmierigen Film auf dem Boden. Ein Stück entfernt befand sich eine umgestürzte Liege, darüber hing von der Decke eine goldene Schale, in der noch Reste einer schwarzen Flüssigkeit klebten.
Wie in Gedanken versunken tunkte Heaven ihren Finger hinein und leckte die daran hängende Schwärze ab. Doch sie gewann nicht das geringste bisschen Genuss daraus. Alles Belebende hatte sich längst aus dem schwarzen Blut verflüchtigt.
Wieder an anderer Stelle sah Heaven eine Anhäufung feiner grauer Flocken, die von grob menschlichen Umrissen war. Es war nicht schwer zu erraten, dass hier offenbar ein Vampir gestorben war, vermutlich durch Genickbruch. Und Heaven hatte sogar eine Vermutung, um wen es sich dabei gehandelt haben mochte. In der Asche funkelte etwas wie winzige Sternchen. Strasssteine, wie Heaven erkannte, und die knappe Lederkleidung, die außerdem in der Asche lag, war ein weiteres Zeichen dafür, dass hier Henna ihr unseliges Leben ausgehaucht hatte...
Wie versteinert blieb Heaven in der Hocke, als sie...
etwas
spürte.
Eine körperlose Berührung an ihrem Rücken. Als würde jemand sie anstarren!
Aber das war unmöglich. Nichts und niemand lebte hier noch außer ihr selbst.
Zum Sprung bereit kreiselte sie in ihrer kauernden Stellung herum, um aufzufahren und sich dorthin zu stürzen, von wo der Blick sie traf.
Aber dort lag nur eine Leiche.
Eine tote Frau, deren luftiges Gewand zerrissen und blutgetränkt und deren Körper eine zerklüftete Landschaft war.
Und doch bewegte sich etwas an diesem Körper!
Unverwandt spürte Heaven den Blick auf sich ruhen.
Und noch in derselben Sekunde erkannte sie,
wer
sie da anglotzte.
Oder –
was
?
Wissen war in den Homunkulus geflossen und verbarg sich noch in jenem schwarzen Blut, das ihn geweckt hatte.
Wissen, das nun allmählich erblühte und Früchte trug.
Eine dieser schwarzen Wissensfrüchte hatte die Warnung in sich getragen, sich von geweihtem Boden fernzuhalten. In einer anderen hatte der Homunkulus entdeckt, was 'geweihter Boden' hieß.
Er hatte auf seinem Weg ins Leben geweihten Boden gefunden.
Und betreten, ohne dass irgendetwas geschehen wäre. Im Gegenteil, man hatte ihn willkommen geheißen.
Würde es ihm aber auch möglich sein, hier –
– zu töten?
Ein Versuch mochte es weisen...
Das Auge ließ Heaven nicht aus seinem Blick.
Und die Halbvampirin konnte ihrerseits nicht den Blick von ihm wenden. Von diesem trübgrauen Etwas, das inmitten der Bauchdecke der Toten saß und hinter dessen scheinbarer Ausdruckslosigkeit sich fortwährend stumme Hilferufe formten, die keinen Mund hatten, um sich kundzutun. Nur mit Blicken vermochte es sich zu verständigen
Auf allen vieren kroch Heaven näher, besah sich das Nabelauge der Toten noch genauer, das ihr dankbar zuzublinzeln schien, als sich Hautwülste wie die Lamellen einer Irisblende für einen Moment darüber schoben. Die Bewegung löste etwas von dem Blut, das sich darum gesammelt hatte, und Heaven hatte den Eindruck, als würde das Auge eine einzelne blutige Träne weinen.
Der Anblick war furchtbar, schrecklich, widerlich –
– und doch wohnte ihm auch etwas zutiefst Anrührendes inne.
Etwas, dem Heaven sich nicht zu entziehen vermochte.
Wie von einem Sog erfasst, dem sie bereitwillig nachgab, flohen die Gedanken aus ihr. Sie sah sie beinahe wie einen flirrenden Strom hinein tauchen in das schleimüberwobene Auge und darin versinken und aufgehen.
Heaven
verstand
.
Und sie
sah
mit Doreens Erinnerung...
... wie der Homunkulus sich erhob. Nein, wie er hochfuhr wie von explodierender Kraft getrieben!
Alles Sanfte, Schöne, Anmutige verschwand aus seinen Zügen; es fiel von ihm ab wie die Trümmer einer zerbrochenen Maske. Sein ganzer Körper verzerrte sich, als wollte etwas darin ihn von innen heraus neu formen, wenn es ihn schon nicht zerstören konnte. Und vielleicht war der daraus entstehende Schmerz die Triebkraft dessen, was folgen sollte.
»Was tut er? Was passiert mit ihm?!«, schrie Henna. Doch sie fasste sich rasch und trat dem Tobenden, der in Bewegungen, die
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