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Weinland & Stahl

Weinland & Stahl

Titel: Weinland & Stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bad Blood 01 - Das Blut der Nacht
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der Schmerz ihm aufzwang, alles um ihn her zerschlug, energisch entgegen. Als könnte sie dieser Allgewalt mit ihrer bloßen Präsenz Einhalt gebieten.
    Der Versuch war von sträflicher Lächerlichkeit.
    Und Hennas Strafe war der Tod.
    Ein so unspektakuläres Ende eines vielhundertjährigen Lebens...
    Der schwellende Arm des Homunkulus traf sie vor die Brust, schleuderte sie zurück. Die Vampirin stolperte und stürzte. Ihr Nacken schlug gegen die Kante des geöffneten Glastanks. Etwas knackte, und Hennas Kopf hing plötzlich in unmöglichem Winkel ab. Sie fiel vollends, und noch im Sturz wurde ihre Haut grau und brüchig, löste sich schließlich auf, wie alles darunter schon zu Staub und Asche geworden war.
    Noch immer von fremder Macht gesteuert wandte sich der Vampir, den wir und etwas anderes –
vor allem
etwas anderes! – erweckt hatten, uns zu.
    Sein nackter Körper sah längst nicht mehr aus wie zuvor. Er hatte sich in die Monstrosität verwandelt, die er in seinem Inneren seit Anbeginn gewesen sein mochte. Das Fremde hatte diese Urgestalt nun nach außen gezwungen. Es war eine Mordmaschine aus künstlichem Fleisch und Geist, die da auf uns einstürmte...
    ... und ich, allein ich, genoss es beinahe, als seine Klauen und Zähne meine Schwester Selina für all das bestraften, was sie der Natur und ihren ureigenen Geschöpfen in all den Jahren angetan hatte, nachdem sie ihre eigenen Gesetze aufgestellt hatte.
    Ich badete in ihrem Schmerz, der zwar auch mich traf, doch ich wusste, dass er nur ihr allein bestimmt war.
    Ich empfand Genugtuung ob ihres qualvollen Sterbens, weil ich sie wieder und wieder vergebens gewarnt hatte vor ihren eigenen Untaten.
    Und ich war zufrieden mit ihrem Tod...
    ... bis ich merkte, was ihr Tod für mich bedeutete.
    Ewige Einsamkeit.
     
     
    »Father Cyrill!«
    Die gelblichweißen Augen des Priesters wandten sich in Reuven Lamarrs Richtung, und für einen winzigen Moment schien die Trübnis aus seinem Blick zu weichen, um etwas Strahlendem Platz zu machen.
    »Reuven! Mein Junge, du musst klatschnass sein. Ich...«
    Der Junge erfuhr nie, was Father Cyrill noch hatte sagen wollen. Seine Worte erstickten im Sprudeln seines Blutes, das wie kochend aus seiner Kehle schoss, nachdem der Vampir sich ruckartig vorgebeugt und zugebissen hatte.
    Sekundenlang verschloss der Mund des Nackten die fürchterliche Wunde noch halbwegs, dann endlich verstummte das grauenhafte Schlürfen, mit dem er aus der zerfetzten Ader getrunken hatte, und das blutbesudelte Gesicht drehte sich Reuven zu.
    Vielleicht war es der Anblick, vielleicht das Wissen, dass ihm das gleiche Schicksal bevorstand, vielleicht die Ahnung der Bewegung, mit der das Monster sich gleich erheben musste –
    – irgendetwas davon löste die Lähmung in Reuvens Beinen und trieb ihn an. Ließ ihn laufen.
    Weg, nur weg.
    In blindmachender Panik stürmte der Junge nicht zurück zum Ausgang, sondern in den vorderen Teil des Kirchenschiffs, dem Altar zu, als könnte er dort Schutz finden...
    Lächerlich!
    Ohne Hast nahm der Vampir die Verfolgung auf, und wie nebenher registrierte Reuven, dass es sich nicht um einen Mann handelte.
    Der Kerl, das Ding, das Ungeheuer hatte keinen Schwanz.
    »O Gott!«, glaubte Reuven zu rufen, IHN anzurufen.
    Doch nichts geschah. Niemand und nichts half ihm.
    Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
    Worte, die Father Cyrill einmal zu ihm gesagt hatte, fielen ihm ein. Nur wie – WIE sollte er sich helfen, sich zur Wehr setzen gegen ein Wesen, das es doch gar nicht geben durfte?
    Reuvens Blick irrte umher.
    Wohin sollte er sich wenden, wohin fliehen? Hinaus aus der Kirche?
    Es gab neben dem Altar eine kleine Tür, die in die Sakristei führte, und von dort aus gelangte man in Father Cyrills bescheidene Wohnung und schließlich ins Freie.
    Doch hatte eine solche Flucht Sinn? Würde sie nicht nur zur Jagd werden, bei der er, Reuven, die Beute eines nimmermüden Jägers würde?
    »O mein Gott, hilf mir!«, brüllte Reuven. Und erstarrte, als sein Blick auf etwas fiel, das Hoffnung in ihm weckte. Ganz leise nur, aber es war eine Flamme, die ihm im Angesicht des drohenden Todes strahlendhell erschien.
    Und es war mehr als nur eine Flamme.
    Es waren Dutzende.
    Sie brannten dort in der Ecke, an den Dochten von Kerzen, die von Kirchenbesuchern entzündet worden waren, als sichtbare Zeichen ihres Glaubens.
    Mit zwei Sprüngen war Reuven bei dem Gestell, das die unterschiedlich großen Kerzen trug. Einen winzigen Moment

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