Weinprobe
Haupt und wirft ein bedrohliches Auge auf Sie.«
Er unterbrach sich, als ich einen Lastwagen
überholte, und fuhr dann fort: »Wir haben ja zunächst vermutet, daß an dieser
Stelle ein geeigneter Gauner daherkam, Rettung durch Unlauterkeit in Vorschlag
brachte und daß unser bedrängter Abfüller sich darauf einließ. Aber wenn es nun
nicht so war? Wenn nun Stewart Naylor keiner Anstiftung bedurfte, sondern seine
schrägen Pläne ohne fremde Hilfe ausgeheckt hat?«
»Nämlich«, sagte ich, »selbst Wein anzukaufen,
statt für andere abzufüllen. Ihn auf Flaschen zu ziehen und besser zu
etikettieren, als er war, und anschließend zu verkaufen.« Ich krauste die
Stirn. »Und an diesem Punkt wird man entlarvt und vor Gericht gestellt.«
»Nicht, wenn Sie einen Halbbruder haben, der Pferde
mag. Sie etablieren ihn … mit Bankgeld … in einem Silver
Moondance, und Sie lassen ihn Ihren Wein verkaufen. Der verkauft sich gut
und für ungefähr das Zwanzigfache von dem, was er Sie gekostet hat, die
Flaschen sogar eingeschlossen. Das Geld fließt in Strömen rein, nicht raus …
und damit packt Sie die blanke Gier.«
»Gier?«
»Eine Sucht«, sagte Gerard. »Der erste Schritt ist
der größte. Die Entscheidung. Kokain schnupfen oder nicht. Das Geld vom
Weihnachtsverein borgen, bloß ein einziges Mal. Das erste Geheimnis verkaufen.
Ein Etikett für ein nicht existierendes Weingut entwerfen und es auf eine Flasche
Allerweltswein kleben. Der erste Schritt ist riesig, der zweite halb so groß,
beim sechsten ist es Gewohnheit. Angenommen, unser Stewart Naylor überlegt
sich, wenn er weitere Absatzmöglichkeiten findet, könnte er seine Gewinne verdoppeln
und verdreifachen?«
»Okay«, sagte ich. »Nehmen wir’s an.«
»An diesem Punkt müssen wir uns einen Helfershelfer
namens Zarac vorstellen, den man füglich als Oberkellner im Silver Moondance einsetzt. Eine seiner Aufgaben ist es, sich nach Expansionsmöglichkeiten
umzutun, und zur gegebenen Zeit landet er vor Vernons Tür in Martineau Park. Er
hält Rücksprache mit Paul Young, ehm … Paul Young gleich Stewart Naylor,
Fragezeichen … der redet mit Vernon, und simsalabim, der Weinschwindel
holt tief Luft und schwillt auf doppelte Größe an. Das Geld hagelt jetzt in solchen
Mengen, daß es schwierig wird, es zu verstecken. Keine Bange. Halbbruder Larry
kann doch mit Pferden zaubern. Man gibt das unbequeme Bargeld an Larry weiter,
verwandelt es in Pferdefleisch, schifft es nach Kalifornien, wandelt es erneut
um, möglichst mit Gewinn, und bringt es auf die Bank … vermutlich in der
Absicht, es eines Tages abzuheben und im Sonnenschein zu leben. Nach meiner
Erfahrung tritt die letzte Phase selten ein. Die Sucht des Verbrechens erfaßt
so ganz und gar den Kriminellen, daß er nicht davon lassen kann. Ich habe
etliche Industriespione geschnappt, bloß weil sie auf den Kitzel, mit Kameras
herumzuschleichen, nicht verzichten konnten.«
»Absahnen und aussteigen«, tippte ich an.
»Haargenau. Tut fast niemand. Sie wagen noch einen
zweiten Versuch und einen dritten, dann nur noch einen mehr … und rumms,
einer zuviel.«
»So kam Stewart Naylor auf den Scotch?«
»Ah ja«, sagte Gerard. »Wie wäre es denn, wenn Ihr
Sohn, der seinen geschiedenen Vater besucht, eines Tages seinen Freund Kenneth
junior mitbringt? Oder wenn er ihn öfter mitbringt? Stewart Naylor kennt den
Vater von Kenneth junior recht gut … Kenneth Charters Tankwagen liefern
seit vielen Jahren Wein an Naylors Firma. Angenommen, unser
verbrechenssüchtiger Stewart wirft einen müden Blick auf Kenneth junior und
überlegt sich, daß Charters Tankwagen genauso Scotch und Gin wie Wein befördern
und daß der Profit, der bei Wein zwar ordentlich ist, bei gestohlenem Scotch
astronomisch wäre.«
»Aber er konnte Kenneth junior nicht direkt darum
bitten, die Tankwagenstrecken und Fahrtziele und Zeitpläne seines Vaters zu
verkaufen. Kenneth junior hätte ja auf ehrlich schalten und nach Hause sausen
können, um alles auszuplaudern …«
»Aber er meint schon, daß Kenneth junior reif für
einen kleinen Verrat ist, da er ihn wahrscheinlich über das Leben bei seinem
Vater hat jammern hören …«
»Also schickt er Zarac, um ihn für die Sache zu
gewinnen«, sagte ich. »Schickt Zarac vielleicht in den Diamond Billard-Club?
Oder in die Disco? An irgendeinen ähnlichen Ort? Und Zarac sagt, hier ist ein
Haufen Geld, Kleiner. Besorg mir die Schlüssel für einen Tankwagen, besorg mir
eine
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