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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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vielleicht. Sicher ist nichts.« Er
kehrte jedoch zum Telefon zurück und wählte erst Kenneth Charters
Privatanschluß, dann sein Büro, und in beiden Fallen meldete sich niemand. »Das
war’s dann«, sagte er ruhig. »Ich mache mich auf den Weg.«
    »Waren Sie jemals in einer Abfüllerei?« sagte ich
verzweifelt.
    »Ich meine … Wissen Sie, wonach Sie suchen
müssen?«
    »Nein.«
    Ich starrte ihn an. Er starrte zurück. Schließlich
sagte ich: »Ich habe ein Jahr in und um Abfüllereien in Bordeaux verbracht.«
    »Ist das so?«
    »Ja.«
    »Dann sagen Sie mir doch, wonach ich suchen muß.«
    Ich dachte an Pumpen und Maschinen. Ich dachte an
Großraumbehälter und was darin sein konnte. Hoffnungslos sagte ich: »Sie müssen
mich doch dabeihaben, nicht wahr?«
    »Es wäre mir lieb«, sagte er. »Aber ich bitte nicht
drum. Das geht an die Grenze der Beratertätigkeit … und vielleicht darüber
hinaus.«
    »Sie würden den Wein nicht erkennen, wenn Sie
mittenrein fielen, was?« sagte ich. »Oder den Scotch?«
    »Ausgeschlossen«, gab er seelenruhig zu.
    »Verdammt und zugenäht«, sagte ich. »Sie sind ein
Scheißkerl.«
    Er lächelte. »Eigentlich dachte ich mir, daß Sie
mitkommen würden, wenn ich’s Ihnen sage.«

20
     
    Ich hängte ein Schild an meine
Ladentür: Wegen Krankheit geschlossen. Tut uns sehr leid. Geöffnet Montag 9.30 h.
    Ich bin verrückt, dachte ich. Wahnsinnig.
    Kam ich nicht mit, würde er alleine fahren.
    Da endeten meine Gedanken. Ich konnte ihn nicht
alleine fahren lassen, wenn ich wußte, daß er mich brauchte. Wenn er sich müde
und krank fühlte und ich beisammen war und fast so kräftig wie sonst.
    Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und schrieb
eine Notiz an Sergeant John Ridger, man hätte mir gesagt, ich sollte in der
Abfüllerei Bernard Naylor nach dem Silver-Moondance- Scotch
suchen, und ich würde mit Gerard McGregor (dessen Adresse ich angab) dorthin
fahren, um nachzuschauen. Ich verschloß den Brief in einem Umschlag und schrieb
eine Anweisung für Mrs. Palissey darauf: Bringen Sie das zur Polizeiwache,
wenn Sie bis heute früh um zehn Uhr nichts von mir gehört haben, und lassen Sie
es öffnen.
    Ich steckte den Umschlag an die Kasse, wo sie ihn
nicht übersehen konnte, und hoffte, sie würde ihn nicht lesen. Dann schloß ich
nach einem letzten Rundblick meine Tür ab, fuhr los und versuchte nicht daran
zu denken, ob ich jemals wiederkommen würde.
    Die halbe Zeit dachte ich, daß Kenneth Charter
diesen Mann doch kennen mußte. Stewart Naylor war blütenrein. Die halbe Zeit
vertraute ich aber auch Gerards nächtlichem Gedankenflug. Es gab Intuition.
Lösungen kamen im Schlaf.
    Wahrscheinlich würde die Reise sich als eine Enttäuschung
erweisen, die weder melodramatische Nachrichten an Polizeibeamte noch das ganze
Rätselraten lohnte. Wir würden zu der Abfüllerei fahren, würden keinen Einbruch
verüben, es würde reichlich Anhaltspunkte für legalen Wohlstand geben, und wir
würden beruhigt nach Hause fahren. Es würde nicht wieder ein Sonntag voller
Blut und Schrecken sein.
    Gerard holte mich auf dem Parkplatz, auf den wir
uns geeinigt hatten, ab, nachdem er zwischendurch daheim gewesen war, um die
Beute von Martineau Park in seiner Garage abzuladen. Wir fuhren mit seinem
Mercedes in Richtung London, aber diesmal saß ich am Steuer.
    »Nehmen wir an, Sie wären Stewart Naylor«, sagte
Gerard.
    »Nehmen wir an, Sie hätten Ihr ganzes Berufsleben
damit verbracht, auf die Leitung der familieneigenen Abfüllerei hinzuarbeiten
und müßten dann feststellen, daß wegen einiger neuer Bestimmungen bei den
Franzosen die Weinflut zu einem Rinnsal austrocknet.«
    »Langbögen«, sagte ich.
    »Bitte? Ach ja. Kenneth Charter war da übrigens im
Irrtum. Die Armbrust hat dem Langbogen den Garaus gemacht. Na, wenn schon.
Armbrüste, Gewehre, egal – ohne eigenes Verschulden sind Sie aus dem Geschäft.
Kenneth Charter bestätigte heute morgen, daß er kaum ein Fünftel des früher
Üblichen zu Naylors Fabrik bringt, aber es ist trotzdem noch eine ganze Menge.
Mehr als sonst irgendwohin. Von daher meint er zu wissen, daß Naylor gesund
ist, während andere zu kämpfen haben.«
    »Ha!«
    »Ja, tatsächlich. Nehmen wir an, Sie sind Stewart
Naylor und Sie schauen sich begierig nach anderen abfüllbaren Sachen um …
Tomatensaft, Putzmittel, was immer … und Sie merken, daß jeder andere von
Ihrer Branche im selben Boot sitzt und das gleiche macht. Die Pleite hebt ihr
häßliches

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