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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Pförtnerhaus, das an geschäftigen Tagen mit einem Mann
besetzt sein mußte, der Menschen und Fahrzeuge ein und aus ließ.
    Kein Pförtner. Seine Tür war abgesperrt. Gerard
drehte den Knauf, aber ohne Erfolg.
    Neben der Tür befand sich ein Fenster, das an einen
Schalterraum erinnerte, und ich nahm an, daß dort an Werktagen der Pförtner
stand. Gerard spähte eine Zeitlang aus allen Winkeln hinein und widmete sich
dann wieder der Tür.
    »Steckschloß«, sagte er, das Schlüsselloch
inspizierend.
    »Schade.«
    »Ist das wichtig?« sagte ich. »Ich meine, in einem
Pförtnerhäuschen kann doch nicht viel Interessantes sein.«
    Gerard warf mir einen nachsichtigen Blick zu. »Bei
so alten Fabriken findet man es recht häufig, daß die Schlüssel zu sämtlichen
Gebäuden im Pförtnerhaus an einem Brett hängen. Der Pförtner händigt die
Schlüssel nach Bedarf aus, wenn die Angestellten erscheinen.«
    Zum Schweigen gebracht, sah ich mit ausgedörrtem
Mund zu, wie er eine Stahlsonde in das Schlüsselloch einführte, um sich
konzentriert durch die Zuhaltungen vorzutasten, die Augen verschleiert und
blicklos, das ganze Bewußtsein in seinen Fingern.
    Das Gelände war verlassen. Niemand kam über den Hof
gelaufen und verlangte unmögliche Erklärungen. Ein dumpfes Klicken kam von der
Tür des Pförtnerhauses, und mit einem Seufzer der Befriedigung steckte Gerard
seine Stahlsonde weg und drehte erneut den Türknauf.
    »Na also«, sagte er ruhig, als die Tür sich
widerstandslos öffnete. »Schauen wir mal.«
    Wir betraten einen Raum mit hölzernem Fußboden, der
einen Stuhl enthielt, eine Stechuhr mit gerade sechs Karten in einem
Kartenhalter, der für hundert gedacht war, einen neu wirkenden Feuerlöscher,
ein Plakat mit dem Betriebsverfassungsgesetz und einen flachen unverschlossenen
Wandschrank. Gerard öffnete den Schrank, und es war so, wie er gesagt hatte: Im
Inneren befanden sich vier Reihen beschilderter Haken und an sämtlichen Haken
beschriftete Schlüssel.
    »Alles da«, sagte Gerard mit unerhörter
Befriedigung. »Hier ist wirklich niemand. Wir haben den Laden für uns allein.«
Er blickte lesend an den Aufschriften entlang. »Wir fangen mit den Büros an.
Davon verstehe ich mehr. Danach … was?«
    Auch ich las die Aufschriften. Produktion.
Flaschenlager. Etikettenraum. Tanks. Versand. »Wie lange haben wir Zeit?«
    »Wenn Stewart Naylor Paul Young ist und tut, was er
gesagt hat ist er jetzt unterwegs nach Martineau Park. Wenn die Polizei ihn da
festhält, haben wir mindestens zwei bis drei Stunden.«
    »Kommt einem nicht so vor«, sagte ich.
    »Nein. Immer unheimlich, die ersten paar Male.«
    Wieder machte er mich sprachlos. Er nahm die
Schlüssel, die er haben wollte, vom Haken und bedeutete mir, das gleiche zu
tun. Dann verließen wir das Pförtnerhaus, schlossen (unnötigerweise, dachte
ich) die Tür hinter uns und gingen weiter in den Hauptteil des Hofes.
    Ein zweites großes Backsteingebäude tauchte zur
Linken auf; und jeder Funke Hoffnung, der mir vielleicht noch geblieben war,
wir könnten Stewart Naylors Unschuld feststellen und uns behutsam zurückziehen,
erlosch an diesem Punkt. In der linken Ecke des Hofes stand versteckt ein
grauer Bedford-Transporter mit braunen Streifen an den Seiten, ohne
Nummernschilder. Ich ging hinüber und schaute durch die Fenster, doch er
enthielt nichts: keinen Wein, keine Strubbelperücken, keine Schrotflinte.
    »Gott im Himmel«, sagte Gerard. »Das ist er doch,
oder?«
    »Sieht ganz so aus.«
    Er seufzte tief und blickte sich in dem Hof um.
»Ein großer Lieferwagen mit der Aufschrift Vintners Incorporated ist nicht da.
Der ist wahrscheinlich auf dem Weg nach Martineau. Nehmen wir uns also mal die
Büros vor und, ehm … hinterlassen möglichst keine Hinweise darauf, daß wir
hiergewesen sind.«
    »Nein«, sagte ich schwach.
    Wir gingen über den Beton, unsere Schuhe knarrten,
wie mir schien, mit alarmierender Lautstärke, und Gerard schloß die Tür des
Bürogebäudes auf, als wäre er der soeben eingetroffene Manager in
Nadelstreifen.
    Wie die Stechkarten verraten hatten, war die Fabrik
für ihre Größe mehr als unterbelegt. Es gab sechs kleine Büros in dem
Büroblock, vier davon leer bis auf Schreibtisch und Stuhl, und zwei, die einen
leichten Arbeitsanfall erkennen ließen. Dahinter lag eine verschlossene Suite,
an deren Außentür, unter der Aufschrift »Geschäftsführender Direktor« in kleineren
Buchstaben stand: »Klopfen und Eintreten.«
    Wir traten ohne

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