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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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nächststehenden, doch er war
abgeschaltet und, soweit ich sehen konnte, der andere auch. »Man verwendet sie,
um Trübungen aus Weinbrand und aus Weißwein zu entfernen. Senkt man die
Temperatur, sinken die Trübteilchen auf den Boden, und weiter oben läßt man die
gereinigte Flüssigkeit ab.«
    Die Schläuche liefen geradewegs an den Kühltanks
vorbei und durch einen weiteren breiten Eingang, und dahinter fanden wir, was
Gerard suchte. Die lange, lichte und luftige Halle, zwei Etagen hoch, wo die
Getränke auf Flaschen gezogen und verkorkt, wo die Kapseln und Etiketten angebracht
und die Flaschen in Kartons verpackt wurden.
    Es gab vier Fließbänder mit Maschinen zum Abfüllen,
Verkorken, Kapselaufsetzen und Etikettieren, eine Kapazität, die weit über die
verfügbare Arbeitskraft hinausging. Alles sah blank, sauber, ordentlich,
geräumig und gutgeführt aus.
    »Irgendwie hatte ich etwas Finsteres à la Dickens
erwartet«, sagte Gerard. »Wo gucken wir?«
    »Die großen Lattenkisten, die da rumstehen,
enthalten wahrscheinlich leere Flaschen«, sagte ich, »aber in einigen könnten
volle sein, die fertig zum Etikettieren sind. Schauen Sie dort.«
    »Was sind das für Glaszellen?«
    »Die eigentlichen Füllmaschinen und Korker und
Etikettiermaschinen sind sicherheitshalber in Glas eingefaßt, und sie arbeiten
nur, wenn die Glastüren geschlossen sind. Das eine Förderband scheint
betriebsfertig zu sein. Sehen Sie die Korken oben in dem durchsichtigen
Trichter? Und da oben«, ich deutete, »auf der Brücke, sehen Sie die vier Tanks?
Der Wein oder was immer wird aus den riesigen Vorratstanks in der langen Halle
durch die Schläuche in die Tanks auf der Brücke gepumpt, dann läuft er mittels
Schwerkraft wieder abwärts, in die Flaschen. Die Pumpen für diese Tanks
scheinen oben auf der Brücke zu sein. Ich sehe mal nach, ob in den Fülltanks
was drin ist, wenn Sie wollen.«
    Gerard nickte, und ich ging die Treppe hinauf. Die
Brücke, die sich von einer Seite der Produktionshalle zur anderen erstreckte,
war etwa vier Meter breit, von Geländern gesäumt, und auf ihr standen vier Fülltanks,
höher als mein Kopf, jeder mit einer seitlich befestigten Leiter, so daß man zu
den Einfüllstutzen oben gelangen konnte.
    Es gab vier elektrische Pumpen auf der Brücke, eine
pro Fülltank doch nur eine einzige war an Schläuche angeschlossen. In diesem
einen Fall führte ein Schlauch vom unteren Geschoß herauf, und ein zweiter ging
von der Pumpe zur Oberseite des Fülltanks. In diesem Tank, dachte ich, könnte
noch mehr Saint-Estèphe zu finden sein, und ich kauerte mich vor ihn hin
und ließ ein paar Tropfen durch den Prüfhahn an der Unterseite ab.
    Gerard klirrte mit den Flaschen in den
Lattenkisten, während er nach vollen suchte. Die Kisten waren etwa einsfünfzig
breit, einszwanzig hoch, aus sehr starkem Holz zusammengezimmert wie fünf
Gittertore. Man sah die Flaschen zwischen den Latten durchschimmern, Hunderte
in jeder Kiste.
    Ich war so heimisch geworden in meiner mehr oder minder
natürlichen Umgebung, daß ich in den letzten zehn Minuten vergessen hatte, mich
zu fürchten; und das war ein grundlegender Fehler gewesen, denn plötzlich
sprach eine Stimme direkt unter mir, sehr laut und drohend.
    »Was zum Teufel fällt Ihnen ein? Los, zurück, die
Hände hoch und umdrehen.«

21
     
    Er meinte nicht mich, sondern Gerard.
    Er trat von unterhalb der Brücke in mein Gesichtsfeld,
jung, stämmig, in Jeans und Steppjacke, mit einer kurzläufigen Schrotflinte im
Arm. Er drehte mir den Rücken zu und hatte mich nicht gesehen, und ich kauerte
wie erstarrt auf der Brücke, unfähig zu einer Bewegung, die Muskeln verkrampft,
während die alte klamme Kälte größter Angst meine Haut überlief und sich im
Mark festsetzte.
    Es war der Mann, ich wußte es intuitiv, der damals
auf uns geschossen hatte.
    Es war wahrscheinlich Denny. In Gedanken nannte ich
ihn so.
    Gerard drehte sich langsam zu ihm um und hob eine
Hand, da die andere noch in der Schlinge war. Er blickte nicht zur Brücke hoch.
Er hätte mich sonst wahrscheinlich sehen können, auch wenn ich hinter dem
Geländer und zwischen zwei Tanks war. Er tat nichts, sagte nichts, weder jetzt
noch später, was Denny hätte verraten können, daß ich dort war.
    »Stillhalten«, sagte Denny, »sonst knalle ich Sie
ab.«
    Eine andere Stimme sagte: »Wer ist es? Ist es
Beach?« – und das war noch schlimmer. Die Stimme kannte ich allzu gut.
    Paul Youngs Stimme. Stewart

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