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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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meiner
Tasche danach und förderte mit einiger Verwunderung Floras neues, scharfes,
silbernes Präsent zutage. Gepriesen sei Flora.
    Ich schnitt die Verbandsrolle von Gerards
Handgelenk und kappte anschließend die Streifen, die seine Hände an die Kiste
fesselten. Selbst als seine Handgelenke nicht mehr dort fixiert waren, hielt er
sich noch einige Augenblicke an der Kante fest, und bis dahin hatte ich das
Ende der Verbandsrolle statt dessen etwa achtmal um Naylors Handgelenk
gewickelt und es in gleicher Weise an der Kiste befestigt.
    Naylor beugte sich würgend, hustend über die
Lattenkiste, seine Brille war dunkel von Wein, sein Körper zuckte unter der
Anstrengung, Atem zu holen. Er schien es kaum zu merken, geschweige denn sich
zu wehren, als ich sein anderes Handgelenk an der Kante festband.
    Denny kam auf dem Fußboden zu sich. Ich sah vom
Knotenschnüren hinunter und beobachtete, wie verschwommene Gedanken sich in
seinen Augen zu klären begannen, und ich nahm eine leere Flasche aus der Kiste
und schlug ihm damit noch einmal auf den Kopf.
    Die Flasche zersprang. Eine Claret -Flasche,
bemerkte ich vage. Die Scherben fielen in den Wein, der sich noch immer als
rote Lache über den ganzen Boden ergoß, sich um Ecken ringelte, Flüsse bildete,
pulsierend aus dem offenen Schlauch herunterkam. Der Geruch erfüllte die Sinne,
zu Kopf steigend, betörend schwer.
    So viel Wein … Das Hauptventil des
Riesenvorratstanks mußte offen sein, dachte ich. Die ganze Ladung würde durch
die Pumpe ablaufen. Fünftausendsiebenhundert Liter.
    Denny lag mit dem Gesicht darin. Ich zerrte ihn zu
der Lattenkiste hinüber, drehte ihn auf den Rücken, zog ihm die Arme hoch und
fesselte mit dem durchweichten rosa Verband seine Handgelenke getrennt an eine
der robusten unteren Latten.
    Wein gurgelte durch seine Haare. Wenn auch Blut da
war, konnte ich es nicht sehen.
    Als ich im wesentlichen mit dem Fesseln fertig war,
war immer noch Verband in der Rolle übrig. Ich wickelte noch ein Stück davon um
beide Handgelenke Naylors, verband sie in mehr und mehr Lagen mit der Kiste und
brauchte dann den letzten Rest auf, um mit Denny das gleiche zu tun.
    Der Gips in der Bandage war in gewissem Grade schon
durch den Wein freigesetzt worden, so daß hellrosa Schleim meine Finger
bedeckte. Ich nahm eine leere Flasche aus der Kiste und hielt sie unter den
spritzenden Schlauch, bis sie halbvoll war, und dann goß ich sorgfältig Wein
über jedes der gefesselten Handgelenke, bis die Bandagen sich vollgesaugt
hatten.
    Gerard schaute sprachlos die ganze Zeit zu.
    Schließlich ging ich nach oben und stellte die
Pumpe ab.
    Der Springquell versiegte. Das einzige Geräusch war
plötzlich das angestrengte Schniefen Naylors, der nach Atem rang.
    Einen Moment sah ich nieder auf die Szene unten:
auf den rot überschwemmten Boden, auf Denny, der auf dem Rücken lag, die Hände
überm Kopf gefesselt, auf Naylor, der sich über der Lattenkiste krümmte, auf
die im Wein liegende Flinte und die zerbrochene Claret -Flasche …
und auf die Flaschen in den Kisten.
    Das einzige, womit man hart werdenden Gips
vielleicht durchschneiden konnte, war zerbrochenes Glas.
    Ich ging die Treppe hinunter und entfernte
sorgfältig die Flaschenscherben aus Dennys Nähe und holte genügend Flaschen aus
der Kiste, um sicherzustellen, daß Naylor an keine herankam.
    Ich stieß die Schrotflinte mit dem Fuß weit aus
ihrer Reichweite.
    Was noch?
    Nichts mehr.
    Auch ich war, wie Naylor und Denny, von Kopf bis
Fuß mit Wein durchtränkt: Jacke, Hose, Hemd, Socken, Schuhe, alles dunkelrot
auf dunkelroter Haut. Nur Gerard, wenn auch ausgiebig bespritzt, war relativ
trocken.
    Ich sagte zu ihm: »Könnten Sie Ihren Wagen ans Tor
holen? Von da aus fahr ich ihn, aber ich bin nicht ganz sicher, ob ich in dem
Aufzug hier auf die Straße gehen kann.«
    »Was ist mit ihnen?« sagte er, den Blick auf
unseren Gefangenen.
    »Wir rufen die Polizei. Erst möchte ich mal gerne
hier weg. Denny hat irgendwo noch einen Partner.«
    »Gut. Ja, ich hole den Wagen.« Er klang erschöpft
und sehr ernüchtert und sah überallhin, nur nicht in mein Gesicht.
    Denny regte sich und stöhnte. Naylor keuchte. Schon
in wenigen Minuten würden die Bandagen um ihre Handgelenke rosa Fels sein, und
es wäre eine Säge nötig, um sie zu befreien.
    Wir gingen, ohne irgend etwas abzuschließen. Gerard
brachte den Wagen ans Tor, und von dort an fuhr ich. Beim Einsteigen bat ich
für die Flecke um Entschuldigung, die ich auf

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