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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Naylor.
    »Das ist nicht Beach«, sagte er.
    Er tauchte unter mir auf und blieb neben Denny
stehen.
    Ich sah das schwarze Haar, die schweren Schultern,
das Blinken der Brillengläser, das Hörgerät hinter seinem Ohr.
    »Wer ist er dann?« sagte Denny.
    »Der Mann, der bei ihm war. Älter, grauer, mit
einer Armschlinge. Das ist er. Heißt Greg oder so ähnlich, meinte Lew.«
    Wer war Lew …
    »Wofür ist die Schlinge?« wollte Stewart Naylor
wissen.
    Gerard antwortete nicht. Nach einer Pause sagte
Naylor: »Du sagtest, du hast bei Beachs Laden jemand in einem Auto erwischt.
War er das?«
    Denny erwiderte: »Ich konnte nicht sehen, wer das
war.«
    »Hier wird mir nicht auf ihn geschossen«, sagte
Naylor energisch. »Gibt zu viel Sauerei. Laß bloß deinen Tatterfinger vom
Abzug. Und Sie, Greg, nehmen mal den Arm aus der Schlinge und drehen sich mit
dem Rücken zu mir und legen beide Hände auf die Oberkante von dem
Flaschencontainer. Und tun Sie bloß, was ich sage, sonst wird noch mal auf Sie
geschossen, ob Sauerei oder nicht.«
    Gerard gehorchte. Ich muß was tun, dachte ich, und
konnte mir nicht vorstellen, was. Konnte nicht denken. Lauschte in
hoffnungslosem Entsetzen.
    Stewart Naylor ging zu Gerard und klopfte ihn von
oben bis unten nach Waffen ab. Gerard rührte sich nicht. Naylor griff nach vorn
in Gerards Jacke, zog seine Brieftasche heraus und trat ein paar Schritte
zurück, um den Inhalt durchzusehen.
    »Gerard McGregor«, sagte Naylor lesend. »Wo ist Ihr
Freund Beach?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Gerard achselzuckend.
    »Wie zum Teufel kommt er hierher?« sagte Denny.
»Mir gefällt das nicht.«
    Mit plötzlich hervorsprudelnder Bestürzung und Zorn
sagte Naylor garstig: »Der wird sich wünschen, er wäre nicht gekommen!«
    Ich sah verzweifelt zu. Er hatte die gefälschten
Etiketten von oben in der Brieftasche gefunden. Er hielt sie vor sich, als
traute er seinen Augen nicht.
    »Er hat die Presse gesehen«, sagte er wütend. »Er
weiß entschieden zuviel. Wir bringen ihn um und lassen ihn verschwinden. Er
wird noch keine Gelegenheit gehabt haben, auszuplaudern, was er gesehen hat.
Uns passiert nichts.« Er klang überzeugt davon.
    Gerard ergriff scheinbar unbeeindruckt, wie in
einer gepflegten Diskussion das Wort. »Selbstverständlich habe ich Bescheid
hinterlassen, wo ich hinwollte. Wenn ich nicht unversehrt zurückkomme, steht
Ihnen die Polizei ins Haus.«
    »Das sagen sie im Kino immer«, meinte Denny. »Es
stimmt sowieso nie.«
    Nach einer Pause sagte Naylor: »Halt ihn in Schach,
Denny. Bin sofort zurück.« Damit drehte er sich um und ging unter der Brücke
durch, aus dem Füllraum, und ich dachte daran, vielleicht Denny anzuspringen …
der zu weit entfernt war, um es in die Tat umzusetzen. Er würde herumwirbeln,
wenn er eine Bewegung von mir hörte, und er würde schießen, noch während ich
auf das Geländer stieg, um mich weit genug nach vorn zu werfen, daß ich
Aussicht hätte, ihn mit einem Sprung zu erreichen … Er würde mit
Sicherheit entweder Gerard oder mich erschießen, bevor wir ihn überwältigen und
entwaffnen könnten. Sonst sah ich keine Möglichkeit, etwas zu tun. Ich war
überzeugt, daß dieser Sprung buchstäblich tödlich sein würde, vielleicht für
uns beide, und dabei krampfte ich mich innerlich zusammen, weil ich
befürchtete, der Grund, weshalb ich nichts unternahm, wäre Angst … Keine
Vorsicht, einfach Feigheit. Man konnte sein Leben wegwerfen bei dem Versuch,
sich zu beweisen, daß man tapfer war … und manchen Leuten mochte es das
wert sein, aber mir nicht.
    Stewart Naylor kam mit einem schmalen Päckchen zurück,
das er im Gehen aufriß.
    Der Inhalt war breiter weißer Verbandstoff.
    Mir war übel.
    Ich hätte springen sollen, dachte ich. Ich hätte es
riskieren sollen als die Chance noch bestand. Warum hatte ich es nicht getan?
    Vernunft, Gefühl, Logik, Wagemut … sie können
einem als wirres Durcheinander durch den Kopf schwirren, und woher weiß man,
was richtig ist?
    Naylor ging zu Gerard hinüber und band mit großer Geschwindigkeit
das Handgelenk seines verletzten Armes mit der Binde an den Kistenrand. Ein
starkes Zittern durchlief sichtbar Gerards Körper, und er drehte sich von der
Kiste weg in dem Versuch, sich loszureißen, zu entkommen. Seine Gesichtszüge
waren starr geworden, seine Augen dunkle Höhlen.
    Er hat auch Angst, dachte ich. Er weiß, was für ein
Verband das ist. Er ist genauso menschlich wie ich … und ist entsetzt.
    Er

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