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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Hauptbüro ließ die Stille andauern, bis
allen klar sein mußte, daß er seinen Namen aus bewußter Überlegung nannte,
nicht aus Gehorsam gegenüber Ridger.
    »Mein Name ist Paul Young«, sagte er schließlich
mit Gewicht. »Ich vertrete die Gesellschaft, von der dieses Restaurant eine
Tochterfirma ist. Und jetzt bitte, was geht hier vor?«
    Ridgers Haltung blieb kampflustig, als er in seiner
Merkbuchsprache zunächst einmal eröffnete, das Silver Moondance werde
wegen Verstoßes gegen das Warenhandelsgesetz strafrechtlich belangt werden.
    Paul Young vom Hauptbüro fuhr brüsk dazwischen.
»Lassen Sie das Kauderwelsch und drücken Sie sich klar aus.«
    Ridger funkelte ihn an. Paul Young wurde
ungeduldig. Keiner mochte sich offen dem anderen beugen, doch am Ende erklärte
Ridger, was er warum in den Kartons wegschaffen wollte.
    Paul Young hörte mit rasch wachsendem Ärger zu, wandte
sich diesmal aber nicht gegen Ridger selbst. Statt dessen lenkte er seinen
funkelnden Blick auf den Barmann (der nach Kräften hinter seinen Pickeln Schutz
suchte) und verlangte polternd zu erfahren, wer für den Ausschank vertauschter
Ware verantwortlich sei. Der Barmann wie auch die Kellnerin und der vertretende
Stellvertreter antworteten ihm mit wenig mehr als einem schwachen Kopfschütteln
und ganz ohne den Trotz, den sie Ridger gegenüber gezeigt hatten.
    »Und wer sind Sie?« fragte er barsch, indem er
jetzt mich von oben bis unten musterte. »Auch ein Polizist?«
    »Ein Kunde«, sagte ich freundlich.
    Da er keinen Grund sah, sich bei mir aufzuhalten,
wandte er seine forcierte Aufmerksamkeit erneut Ridger zu und versicherte ihm
gebieterisch, das Hauptbüro habe nichts von einer Schiebung geahnt, und der
Betrug müsse innerhalb dieses Gebäudes ausgeheckt worden sein. Die Polizei
könne versichert sein, daß das Hauptbüro den Schuldigen entlarven und gegen ihn
klagen werde, damit so etwas nie wieder vorkäme.
    Es war ganz offensichtlich, für Ridger wie für alle
übrigen Anwesenden, daß der Betrug für Paul Young ein Schock und eine böse
Überraschung war, aber Ridger sagte mit unterdrückter Genugtuung, über das
weitere müßten die Polizei und die Gerichte entscheiden. Zur späteren
Verwendung könne Mr. Young ihm schon einmal die Adresse und Telefonnummer
des Hauptbüros mitteilen.
    Ich beobachtete Paul Young, wie er die gewünschten
Angaben auf ein weiteres, vom Barmann zur Verfügung gestelltes
Rechnungsformular schrieb, und wunderte mich irgendwie, daß er keine
Geschäftskarten dabeihatte, um sich derartige Mühen zu ersparen. Er hatte große
Hände, fiel mir auf, sehr fleischig, mit blasser Haut, und als er den Kopf über
das Blatt beugte, sah ich das diskret versteckte Hörgerät hinter seinem rechten
Ohr, unter dem Brillengestell. Es gab doch Brillen mit eingebautem Hörgerät,
dachte ich und rätselte, warum er diese Lösung nicht vorzog.
    Wie peinlich für ein Stammhaus, dachte ich,
unverhofft in solch einen Schlamassel zu geraten. Und wer hatte wohl den
Schwindel aufgezogen? Der Manager, der Weinkellner oder Larry Trent selbst?
Nicht, daß ich es unbedingt wissen wollte. Die Identität des Schuldigen war für
mich weniger interessant als das Delikt, und auch das Delikt war kaum einmalig.
    Die sechs Rotweinkorken lagen noch auf dem kleinen
Tisch, nachdem die Konstabler die offenen Hälse der Flaschen mit breitem
Klebeband versiegelt hatten, anstatt es mit den guten alten Pfropfen zu
versuchen, und ich hob fast geistesabwesend die Korken auf und steckte sie in
meine Tasche, ordnungsliebend aus Gewohnheit.
    Paul Young richtete sich auf und gab das Blatt
Papier dem vertretenden Stellvertreter, der es weitergab an Ridger, der einen
Blick darauf warf, es zusammenfaltete und in einer Innentasche unter dem
Regenmantel verstaute.
    »Und jetzt, Sir«, sagte er, »schließen Sie die
Bar.«
    Der Barmann blickte zu Paul Young und empfing als
Anweisung ein Schulterzucken und ein unwilliges Nicken. Gleich darauf rollte
ein Ziergitter von der Decke zum Tresen herunter, das den Barmann wie ein Käfig
umfing. Er ließ ein paar Schlösser einrasten und ging zur Hintertür hinaus. In
den Saloon kam er nicht mehr.
    Ridger und Paul Young stritten eine Zeitlang
darüber, wann das Silver Moondance die Geschäfte wieder voll aufnehmen
könnte, wobei jeder noch verdeckt die Kontrolle über den anderen suchte. Es gab
wohl ein Remis, denn schließlich trennten sie sich ergebnislos voneinander,
beide noch in kämpferischer Pose, mehr

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