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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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den zweiten Wein. Chablis, wie
angegeben.
    Auch der dritte war in Ordnung, ein Pouilly
Fuissé.
    Bis ich mit dem sechsten, einem Sauternes, fertig
war, hatte sich der Barmann erheblich entspannt.
    »Nichts daran auszusetzen?« fragte Ridger gelassen.
    »Nichts«, bestätigte ich und setzte die Korken
wieder auf.
    »Ich gehe an den Rotwein.«
    Die Roten waren ein Saint-Emilion, ein Saint-Estèphe, ein Mâcon, ein Valpolicella, ein Volnay und ein Nuits
Saint-Georges, alle Jahrgang 1979. Ich beroch und kostete jeden einzelnen
sorgfältig, wobei ich zwischen den Schlucken ausspie und ein wenig wartete,
damit jeder Wein frisch auf der Zunge lag, und bis ich damit fertig war, waren
alle anderen nervös geworden.
    »Nun«, wollte Ridger wissen, »sind sie in Ordnung?«
    »Sie sind ganz ansprechend«, sagte ich, »aber sie
sind alle eins.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine damit«, erklärte ich, »daß trotz der
vielen hübschen verschiedenen Etiketten der Wein in diesen Flaschen nichts mit
ihnen zu tun hat. Es ist ein Verschnitt. Vorwiegend italienisch, würde ich
sagen, gemischt mit etwas französischem und vielleicht auch jugoslawischem,
aber es könnte sonstwas sein.«
    »Sie wissen nicht, wovon Sie reden«, fuhr der
Barmann auf.
    »Wir hören täglich von den Leuten, wie gut die
Weine sind.«
    »Mm«, meinte ich neutral. »Das kann schon sein.«
    »Sind Sie absolut sicher?« fragte mich Ridger. »Es
ist immer derselbe?«
    »Ja.«
    Er nickte, als ob es damit erledigt wäre, und wies
die Konstabler an, die sechs Rotweine zu versiegeln und mit Datum, Ort und
Uhrzeit der Beschlagnahme zu versehen. Dann sagte er dem Barmann, er solle zwei
Kisten für die etikettierten Flaschen auftreiben, was bei diesem ein Zurückwerfen
des Kopfes, sturen Widerstand und schließlich widerwilliges Gehorchen bewirkte.
    Ich hielt Wort und zahlte für den gesamten Wein,
die einzige meiner Handlungen, die der Barmann von A bis Z genoß. Ich ließ mir
die Flaschen von ihm einzeln auf einem Rechnungsformular mit Firmenkopf
aufführen und mit »Betrag erhalten« abzeichnen, bezahlte dann mit Kreditkarte
und steckte die Quittungen ein.
    Ridger fand das Bezahlen offenbar unnötig, zuckte
dann aber die Achseln und begann zusammen mit dem Konstabler, den Wein in einen
der Kartons und den Whisky in den anderen zu verfrachten; und mitten in diese
triste Ordnungsarbeit platzte der Mann vom Hauptbüro.

5
     
    Der Mann vom Hauptbüro, in einem grauen Kammgarnanzug,
wirkte auf den ersten Blick nicht einschüchternd. Untersetzt, um die vierzig,
dunkelhaarig, von mittlerer Statur und Brillenträger. Er kam mit einem
fragenden Gesichtsausdruck in den Saloon, als kenne er sich nicht aus.
    Ridger, der ihn, wie ich, für einen Kunden hielt,
hob die Stimme und sagte: »Die Bar ist geschlossen, Sir.«
    Der Mann nahm keine Notiz, sondern rückte
entschlossen vor, bis er so nah heran war, daß er die Flaschen in den Kartons
sah. Er runzelte die Stirn und blickte zu den Polizisten, und ich konnte einen
deutlichen inneren Gangwechsel bei ihm erkennen. Die Muskeln strafften sich,
die Aufmerksamkeit stieg; vom Normal- zum Schnellgang in drei Sekunden.
    »Ich bin Polizeibeamter«, sagte Ridger ruhig und
wies seine Papiere vor. »Die Bar ist bis auf weiteres geschlossen.«
    »Tatsächlich, ja?« sagte der Fremde unheilvoll.
»Erklären Sie mir bitte mal, warum.« Der erste Eindruck täuschte, dachte ich.
Dieser Mann konnte mit Leichtigkeit einschüchtern.
    Ridger kniff die Augen zusammen. »Das ist Polizeisache«,
sagte er. »Es geht Sie nichts an.«
    »Sehr viel sogar«, erwiderte der Mann knapp. »Ich
komme vom Hauptbüro, um die Leitung zu übernehmen. Also, was geht eigentlich
vor?« Er sprach mit dem scharfen Tonfall desjenigen, der nicht nur
befehlsgewohnt ist, sondern der außerdem erwartet, daß man sich augenblicklich
nach ihm richtet. Sein Akzent, soweit vorhanden, war einfaches
Geschäftsenglisch, frei von regionalen Vokalen und verschluckten Konsonanten,
aber auch ohne Timbre. Gut gebrannte Gerste, dachte ich; kein Malz.
    »Ihr Name, Sir?« fragte Ridger gleichmütig, als wäre
ihm der scharfe Ton entgangen, was sicher nicht der Fall war.
    Der Mann vom Hauptbüro betrachtete ihn von oben bis
unten, taxierte das Gesamtbild: die gebürsteten Haare, den Regenmantel mit dem
Gürtel, die blankpolierten Schuhe. Darauf reagierte Ridger aggressiv. Sein
Rückgrat spannte sich, und die Kinnpartie zeigte den Wunsch zu dominieren.
Interessant, fand ich. Der Mann vom

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