Weinprobe
knurrend als grüßend.
Ridger zog seine Konstabler, die Kartons und mich
zum Parkplatz ab, so daß Paul Young sich gänzlich seinen hilflosen Gehilfen
widmen konnte. Das letzte, was ich von dem Mann vom Hauptbüro zu sehen bekam,
als ich noch einmal in der Wildwest-Schwingtür zurückschaute, war die
geschäftsmäßige Brille, die in einer Drehung seine großräumige, gesperrte Kapitalanlage
in Schwarz und Rot überblickte, den Farben des Roulettes.
Ridger murmelte wiederholt etwas Unverständliches
vor sich hin, während er mich zu meinem Geschäft zurückfuhr, und brach in
schieren Ärger aus, als ich ihn um eine Quittung für die Kiste Wein bat, die er
im Kofferraum beförderte.
»Diese zwölf Flaschen gehören mir«, betonte ich.
»Ich habe sie bezahlt, und ich möchte sie zurück. Sie sagten ja selbst, daß Sie
mit dem Whisky genug in der Hand hätten. Die Weine waren meine Idee.«
Widerwillig bestätigte er es und gab mir eine
Quittung.
»Wo kann ich Sie finden?« fragte ich.
Er nannte mir die Anschrift seiner Dienststelle und
fuhr ohne auch nur ein Dankeswort für die Hilfe, die ich geleistet hatte,
davon. Zwischen ihm und Paul Young, dachte ich, war wirklich kaum ein
Unterschied.
Im Geschäft hatte Mrs. Palissey einen wahren
Ansturm von Kunden erlebt, wie es manchmal montagmorgens vorkam, und machte
einen etwas geschafften Eindruck.
»Gehen Sie in die Mittagspause«, sagte ich, obwohl
es noch früh war, und dankbar zog sie ihren Mantel über, nahm Brian ins
Schlepptau und entschwand in das hiesige Café, um Pommes frites und Pastete zu
essen und mit ihrem treuen Freund, dem Verkehrspolizisten, zu tratschen.
Die Kunden kamen weiterhin. Ich bediente sie mit mechanischer
Leichtigkeit, lächelnd, immer lächelnd zum Vergnügen der Vergnügungssüchtigen.
Jahrelang hatte mir, zusammen mit Emma, das Verkaufen echte Freude gemacht,
hatte ich für mich eine Befriedigung gefunden, indem ich sie anderen gewährte.
Ohne Emma war die Wärme, die ich empfunden hatte, schal geworden, so daß ich
jetzt nur noch oberflächlich Anteil nahm, nickend, lächelnd, kaum hinhörend,
und nur manchmal, nicht immer, das Ungesagte aus den Stimmen der Käufer
heraushörte. Die Kraft, die ich gehabt hatte, war verbraucht, und letztlich war
es mir gleichgültig.
Während einer kurzen Ruhepause schrieb ich die
Liste für den Großhändler, zu dem ich wollte, sobald Mrs. Palissey
wiederkam, und stellte fest, daß Brian unaufgefordert den Lagerraum gefegt und
in Schuß gebracht hatte. Das Telefon klingelte dreimal wegen ansehnlicher
Bestellungen. Ein Blick in die Kasse offenbarte gesunde Vormittagseinnahmen.
Ironisch, das Ganze.
Zwei Kunden kamen gleichzeitig, und ich bediente
zuerst die Frau, eine verängstigte Dame in mittleren Jahren. Sie holte jeden
Tag eine Flasche vom billigsten Gin bei mir, die sie dann wie ein Dieb in ihrer
großen Handtasche verschwinden ließ, während sie verstohlene Blicke aus dem
Fenster warf, ob auch keine Nachbarn vorbeikämen. Warum sie ihn nicht
kistenweise kaufte, hatte ich sie spaßeshalber vor langer Zeit einmal gefragt,
das sei doch billiger, aber sie hatte erschrocken abgewehrt, sie nähme den Weg
immer gern auf sich. Dabei hatte ihr die Einsamkeit ebenso aus den Augen
geschaut wie die Angst, als Alkoholikerin bezeichnet zu werden, was sie nicht
direkt war, und ich hatte mich über meine Herzlosigkeit geschämt, da ich ganz
genau wußte, weshalb sie jedesmal nur eine Flasche kaufte.
»Schöner Tag, Mr. Beach«, sagte sie atemlos,
ihr Blick huschte zur Straße.
»Kann so bleiben, Mrs. Chance.«
Sie legte mir den genauen Betrag hin, die Münzen
handwarm, die Scheine sorgfältig gezahlt, und sah nervös zu, wie ich ihren
Trost in Seidenpapier einschlug.
»Danke sehr, Mrs. Chance.«
Sie nickte stumm mit einem halben Lächeln, schob
die Flasche in ihre Handtasche und ging, hielt aber an der Tür noch einmal
inne, um die Lage zu erkunden. Ich tat das Geld in die Kasse und blickte
fragend den Mann an, der geduldig darauf wartete, als nächster bedient zu
werden – und sah mich nicht einem Kunden gegenüber, sondern dem Ermittlungsbeamten
Wilson vom Vortag.
»Mr. Beach«, sagte er.
»Mr. Wilson.«
Er trug genau dieselbe Kleidung, als hätte er weder
Zeit zum Schlafen noch zum Rasieren gehabt. Aber er sah frisch und ausgeruht
aus und bewegte sich gemächlich auf seine langsame, krummschultrige Art, mit
den wissenden Augen und dem verschlossenen Gesicht.
»Kennen Sie die Wünsche
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