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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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frei Haus brachte mir so
viele zusätzliche Aufträge ein, daß mich das überhaupt nicht störte.
    Schlechte Nachrichten verbreiten sich so schnell
wie der Schlag der Urwaldtrommel, und bereits um Viertel nach zehn, an meinem
letzten Anlaufhafen, hörte ich vom Silver Moondance.
    »Scheußlich, was?« meinte eine gutgelaunte Frau,
die mir am Ortsrand von Reading ihre Hintertür öffnete. »Heute nacht ist da
jemand eingebrochen und hat jede einzelne Flasche geklaut.«
    »Ist das wahr?«
    Sie nickte fröhlich, genoß die schlechte Neuigkeit.
»Der Milchmann erzählte es mir gerade. Vor fünf Minuten. Das Silver
Moondance gehört ja noch zu der Straße hier. Er ging wie gewohnt mit der
Milch rein, und da stand die Polizei herum und kratzte sich am Kopf. Na ja, so
sagt es der Milchmann. Er steht, glaube ich, nicht übermäßig auf die Polizei.«
    Ich brachte ihre Kartons in die Küche und wartete,
während sie einen Scheck ausschrieb.
    »Wußten Sie, daß der Besitzer des Silver
Moondance bei diesem Unfall am Sonntag umgekommen ist, dem mit dem
Pferdetransporter?« fragte sie.
    Ich sagte, ich hätte davon gehört.
    »Scheußlich, nicht, daß da Leute hingehen und sein
Lokal ausräumen, sobald er tot ist.«
    »Scheußlich«, stimmte ich bei.
    »Wiedersehn, Mr. Beach«, sagte sie vergnügt.
»Wär’s nicht langweilig, wenn es nur gute Menschen gäb’?«
    Das geplünderte Silver Moondance, so nah bei
ihrem Haus, lag auch unmittelbar auf dem Rückweg zu meinem Geschäft, und ich
verlangsamte in schamloser Neugier, als ich es erreichte. Da stand tatsächlich
ein Streifenwagen, fast an der Stelle, wo Ridger am Vortag geparkt hatte, und
spontan bog ich kurzerhand in die Einfahrt und hielt neben ihm.
    Draußen war niemand, und auch keiner in der
Eingangshalle, als ich hineinging. Es brannte weniger Licht diesmal, und es
schien noch weniger los zu sein. Ich stieß die schwingende Westerntür zur Bar
auf, doch der schwarz-rote Raum lag gähnend im Dunkeln, ein Staubfang.
    Ich versuchte es im Restaurant auf der anderen
Seite der Eingangshalle, aber es war ebenfalls verlassen. Blieben noch die
Keller, und wie am Vortag ging ich durch einen Korridor zu einer Tür mit der
Aufschrift »Privat« und in den dahintergelegenen Personaltrakt. Die Keller
waren nämlich nicht in einem Souterrain untergebracht, sondern bestanden aus
zwei kühlen, miteinander verbundenen, fensterlosen Räumen, rechts ab von einem
Gang zwischen dem Speiseraum und Larry Trents ehemaligem Büro. Eine mit
Schlössern und Riegeln bestückte Tür, die von der Lobby auf einen Hinterhof
führte, stand jetzt weit offen, so daß die von ihr eingerahmte Gestalt Sergeant
Ridgers in vollem Sonnenlicht, wenn nicht von innen heraus, erstrahlte.
    Der enggeschnallte Regenmantel war einem mit der
gleichen militärischen Präzision geknöpften Überzieher gewichen, und jedes
Härchen war noch immer streng an Ort und Stelle. Sein barsches Auftreten war
ebenfalls unverändert. »Was tun Sie denn hier?« fragte er steif, sobald er mich
sah.
    »Bin zufällig vorbeikommen.«
    Er warf mir einen mürrischen Blick zu, schickte
mich aber nicht weg, also blieb ich.
    »Was war gestern hier drin?« fragte er und wies auf
die offenen Kellertüren. »Den stellvertretenden Manager fragt man vergebens.
Aber Sie haben doch gesehen, was hier war. Sie haben ja hier den Wein geholt.
Was wissen Sie also noch von den Beständen?« Kein »Sir« heute, fiel mir auf.
Vielleicht war ich bei ihm zum polizeilichen Experten avanciert.
    »Ziemlich viel«, sagte ich nachdenklich. »Aber was
ist mit der Weinkarte? Da war doch alles aufgeführt?«
    »Wir finden nirgends Weinkarten. Offenbar sind sie
zusammen mit dem Wein verschwunden.«
    Ich war erstaunt. »Sind Sie sicher?«
    »Wir können keine finden«, sagte er nochmals.
»Deshalb würde ich Sie bitten, daß Sie eine Liste aufstellen.«
    Ich erklärte mich bereit, es zu versuchen. Er ging
mit mir in Larry Trents Büro, das eher schick und komfortabel als funktional
war. Ein unruhig gemusterter Teppich, mehrere Sessel und zahlreiche gerahmte
Fotos an den Wänden. Die Fotos, sah ich, hatten fast durchweg den Endspurt von
Pferderennen zum Inhalt, mit dem Ziel im Vordergrund. Larry Trent war ein
Kenner gewesen, hatte Flora gesagt, und ein guter Spieler … bis das Glück
ihn verließ.
    Ich setzte mich in seinen Drehstuhl hinter dem
Mahagonischreibtisch und schrieb auf ein Blatt aus Ridgers dienstlichem
Notizbuch. Ridger selbst blieb stehen, als ob der

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