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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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einstige Insasse ihm noch
störend im Weg wäre, und flüchtig dachte ich, daß auch ich mir wie ein
Eindringling in Larry Trents Privatsphäre vorkam.
    Sein Schreibtisch war beinah zu ordentlich, um als
Angelpunkt eines Geschäfts von der Größe des Silver Moondance durchzugehen.
Nicht ein Lieferschein, nicht ein Brief, nicht eine Rechnung. Keine amtlichen
Formulare, kein Kassenbuch, keine Aktenschränke, keine Schreibmaschine und kein
bequem erreichbarer Rechner. Weniger ein Arbeitszimmer, dachte ich: mehr ein
Heiligtum.
    Ich schrieb nach Mengen und nach Kisten auf, an
welchen Wein ich mich erinnerte, und sagte dann, daß ich die Liste vielleicht
ergänzen könnte, wenn ich in den Keller ginge und mir bildlich vorstellte, was
ich dort gesehen hatte. Wir zogen also in den ersten dieser Räume, in dem der
Großteil des Weins gelagert hatte, und ich sah auf die leeren Gestelle und
unterteilten Regale und fügte noch ein paar Namen zu meiner Liste hinzu.
    Von hier gingen wir durch die Schiebetür in den
zweiten Kellerraum, der die Vorräte an Schnäpsen, Likören, Dosenbier und
Selters enthalten hatte. Bier und Selters waren noch da; Brandy, Gin, Wodka,
Whisky, Rum und Liköre fehlten.
    »Das war gründliche Arbeit«, bemerkte ich beim
Schreiben.
    Ridger gab einen Grunzlaut von sich. »Den Wagen im
Speisesaal haben sie ebenfalls abgeräumt.«
    »Und die Bar?«
    »Die auch.«
    »Äußerst methodisch«, sagte ich. »Das Hauptbüro muß
schäumen vor Wut. Was meinte denn Ihr Freund Paul Young dazu?«
    Ridger sah mich brütend an und blickte dann auf die
Liste in meiner Hand. »Um die Wahrheit zu sagen«, sagte er widerwillig, »die
Telefonnummer, die er mir gab, ist unerreichbar. Wir überprüfen das.«
    Ich stutzte. »Er hat sie doch selbst notiert«,
sagte ich.
    »Ja, das weiß ich.« Er schürzte die Lippen. »Man vertut
sich ja mitunter.«
    Eine Stellungnahme meinerseits wurde dadurch verhindert,
daß in der offenen Tür der Lobby ein junger Mann in einer Felljacke erschien,
der sich als Kriminalpolizist in Zivil erwies. Er meldete knapp, daß er mit dem
stellvertretenden Manager die Durchsicht der Nebengebäude beendet habe und daß
dort anscheinend nichts fehlte. Der stellvertretende Manager, setzte er hinzu,
sei im Büro des Managers, falls man ihn brauche.
    »Wo ist das?« fragte Ridger.
    »Beim Eingang. Hinter der Tür ›Nur für
Betriebsangehörige‹, sagt der stellvertretende Manager.«
    »Haben Sie sich da schon umgesehen?«
    »Nein, Sergeant, noch nicht.«
    »Also an die Arbeit«, sagte Ridger barsch, und ohne
eine Miene zu verziehen, drehte der Beamte sich um und ging.
    Das Funkgerät in Ridgers Mantel meldete sich
knisternd, und Ridger holte es hervor und zog die Antenne aus. Die metallische
Stimme des Sprechers drang in dem ruhigen Kellerraum deutlich zu mir. Sie
sagte: »Betreffend Ihre Anfrage von 10 Uhr 14, die genannte Telefonnummer gibt
es nicht und hat es nie gegeben. Des weiteren existiert die genannte Adresse
nicht. Es gibt keine Straße dieses Namens. Zeitpunkt der Durchsage 10 Uhr 48.
Bitte bestätigen. Over.«
    »Bestätigt«, sagte Ridger grimmig. »Ende.« Er schob
die Antenne zusammen und sagte: »Sie haben das wohl mitgekriegt?«
    »Ja.«
    »Scheiße«, sagte er heftig.
    »Genau«, meinte ich mitfühlend, was mir ein
geistesabwesendes Gefunkel eintrug. Ich übergab ihm die vervollständigte Liste
dessen, was urplötzlich nicht mehr nur die simple Aufrechnung eines
Gelegenheitseinbruchs war, sondern Beweis für ein gründlicheres und
zielbewußteres Vorgehen. Seine Sache allerdings, nicht meine. »Ich werde in
meinem Geschäft sein, wenn Sie mich mal wieder brauchen, ich stehe gern zur
Verfügung.«
    »Sehr freundlich, Sir«, meinte er zerstreut, und
dann, mit mehr Aufmerksamkeit: »Nun gut. Vielen Dank.«
    Ich nickte und ging durch die »Privat«-Tür zurück
in die Eingangshalle, von wo ich einen Blick auf die unauffällige Tür »Nur für
Betriebsangehörige« warf, die chamäleonartig mit dem Dekor der Wände
verschmolz. Gerade stellte ich die Vermutung an, daß der Manager wohl nicht
gern von beschwerdelustigen Gästen aufgespürt wurde, da flog diese Tür auf, und
der Stellvertreter des stellvertretenden Managers taumelte rückwärts durch die
Öffnung, gebannt von einem Anblick, den die hinter ihm zuschlagende Tür verbarg.
    Der schwächliche, unbrauchbare Mann vom Vortag war
jetzt völlig außer Funktion gesetzt, er keuchte und schien einer Ohnmacht nahe.
Ich rannte praktisch über

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