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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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verriegelt hatte. Ich schrie
wütend auf und öffnete den Schlag, um hinauszuklettern.
    »Bleiben Sie sitzen«, drängte Gerard, aber ich
hörte es kaum.
    »Wir rufen die Polizei an.«
    »Nächster Hof«, sagte ich über die Schulter. »Sung
Li. Fragen Sie ihn.« Ich warf die Tür hinter mir zu und rannte auch schon zu
dem fremden Lieferwagen hinüber, so zornig, daß ich nicht den mindesten
Gedanken an meine Sicherheit verschwendete. Äußerst unklug, wie man mir im Lauf
der nächsten Woche ständig vorhielt; eine Ansicht, der ich im nachhinein
zustimmen mußte.
    Der Mann, der aus meinem Laden gekommen war, hatte
mich nicht gesehen, und sein Kopf steckte im Lieferwagen, da er eben das
Gewicht der Kiste von seinen Armen bodenwärts verlagerte, eine Haltung, deren
Mechanik mir vertraut war.
    Ich gab ihm einen harten Stoß in die Lendenwirbel,
um ihn vornüberzuwerfen, und knallte ihm beide Hecktüren in den Hintern. Er
brüllte vor Entrüstung und Schreck, aber hörbar waren seine Flüche nur für
mich. Er konnte nicht viel tun, um freizukommen. Ich hatte ihn mit den Türen im
Wagen festgenagelt, nur seine Beine standen hervor, und ich dachte mit
grimmiger Befriedigung, daß ich ihn mühelos so festhalten könnte, bis Gerard
wiederkam.
    Leider hatte ich nicht bedacht, daß Diebe auch
paarweise arbeiten. Es gab einen ungeheuren Schlag in mein Kreuz, der dadurch,
daß er mich gegen die Hecktüren schmetterte, den Mann, der halb im Lieferwagen
steckte, wohl noch mehr ramponierte, und als ich mich mühsam umwandte, sah ich
einen zweiten, sehr ähnlichen Mann mit einer Kiste Wein, mit der er mich allem
Anschein nach zu durchbohren versuchte.
    Der halb aus dem Lieferwagen ragende Mann kreischte
nur noch. Die Inständigkeit seiner Botschaft drang offenbar zu seinem Kumpel
durch, der plötzlich den Druck von meinem Rücken nahm und die Kiste Wein zu
meinen Füßen fallen ließ. Ich erhaschte einen undeutlichen Blick auf struppiges
schwarzes Haar, eine dicken schwarzen Schnurrbart und Augen, die niemandem
Gutes verhießen. Seine Faust krachte in mein Kinn und erschütterte Teile, von
denen ich gar nicht wußte, daß sie klappern konnten, und ich trat ihn heftig
vor das Schienbein.
    Niemand hatte mir je beigebracht, wie man kämpft,
weil ich es nicht hatte lernen wollen. Kämpfen hing mit lauter beängstigenden
Dingen zusammen, mit Leuten, die einem weh tun wollten, während es für mich das
oberste Gebot war, jeder Verletzungsgefahr auszuweichen. Kämpfen führte dazu,
daß Pistolen geladen wurden, daß einem Schüsse um die Ohren pfiffen, daß man
schließlich selber töten mußte. Kämpfen führte zum Viktoriakreuz und zum
Kriegsverdienstorden, oder jedenfalls war es mir als Kind so vorgekommen, und
die Tapferkeit meines Vaters und meines Großvaters hatte nicht nur unerreichbar,
sondern sogar fremdartig auf mich gewirkt, als ob sie einer anderen Rasse
entstammten.
    Die unsachgemäße Art, wie ich an diesem Sonntagnachmittag
kämpfte, hatte nichts mit Tapferkeit zu tun, aber sehr viel mit Zorn. Sie
hatten überhaupt kein Recht, dachte ich atemlos, mein Eigentum zu stehlen, und
sie würden es verdammt noch mal nicht tun, wenn ich sie daran hindern konnte.
    Sie hatten wohl mehr zu verlieren als ich. Die
Freiheit zunächst einmal. Außerdem hatte ich den ersten unzweifelhaft ziemlich
schwer um das Becken verletzt, und soweit er dazu imstande war, wollte er sich
rächen.
    Es war weniger eine Sache von gezielten
Fausthieben; mehr ein Geklammere, Getrete und Geramme gegen harte Oberflächen,
wobei die Knie als stumpfe Gegenstände dienten. Ungefähr in dem Moment, als
meine Begeisterung abklang, brachte der zweite Mann die Bemühungen, die ich
halb mitbekommen hatte, zum erfolgreichen Abschluß und griff durch die
Fahrertür in den Lieferwagen, wobei er sich in eben jener riskanten Schräglage
vorbeugte, die ich mir zunutze gemacht hätte, wären meine Hände nicht voll von
Räuber Nummer eins gewesen. Zu spät schüttelte ich ihn ab und ging zum Angriff
über.
    Nummer zwei richtete sich aus dem vorderen Teil des
Lieferwagens auf, und damit endete der Kampf. Er war zwar ein bißchen außer
Atem, hielt aber triumphierend eine kurzläufige Schrotflinte hoch, mit der er
gefährlich auf meine Brust zielte.
    »Zurück«, sagte er grimmig.
    Ich trat zurück.
    Alle meine Gefühle bezüglich Schußwaffen kamen
schlagartig hoch. Mit einem Mal war es sonnenklar, daß es sich wegen ein paar
Kisten Wein nicht zu sterben lohnte. Ich ging einen

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