Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
Vom Netzwerk:
bringen … hätte er mich da nicht umgebracht?«
    Gerard dachte darüber nach. »Schwer zu sagen. Zarac
starb nicht in Hörweite eines China-Imbisses. Das Zögern erklärt sich
vielleicht daraus, daß der Hof etwas öffentlicher war. Aber Leute, die zu einem
Einbruch Schrotflinten mitnehmen, haben zumindest ans Töten gedacht, vergessen
Sie das nicht.«
    Ich würde es nicht vergessen, dachte ich.
    »Was hat Sie veranlaßt, Detektiv zu werden?« fragte
ich neugierig.
    »Sagen Sie nicht Detektiv. Tina hält nichts davon.«
    »Ermittelnder Berater also.«
    »Ich ging dem College verloren, als mein unfertiger
Verstand noch bei der Vorstellung von Detektivarbeit ins Schwärmen geriet.«
Wieder das schiefe, selbstironische Lächeln. »Ich hatte einen Buchhaltungskurs
gemacht und war auf der Handelsschule, versprach mir aber von dem, was da
gelehrt wurde, nicht viel fürs Leben. Eigentlich bestürzten meine Aussichten
mich eher. Eines Tages sprach ich mit einem Onkel darüber, daß ich gern zur
Polizei gehen würde, nur bekäme die Familie dann massenweise Herzanfälle; und
ein Freund von ihm, der dabei war, fragte, warum ich denn nicht zur
Betriebspolizei ginge … Ich wußte natürlich nicht, was er damit meinte,
aber er hat mich an eine Agentur verwiesen und, glaube ich, ein Wort für mich
eingelegt. Man bot mir ein Probejahr an und brachte mir bei, wie man
nachforscht … Es war eine andere Agentur, nicht Deglet. Deglet übernahm
uns dann, und ich gehörte mit zur Einrichtung.«
    »Sie haben es nie bereut?«
    Er sagte nachdenklich: »Es ist modern, jedes
Verbrechen als das Ergebnis von Umwelt und Erziehung wegzuerklären, immer die
Schuld auf jemand anders zu schieben, nie auf den eigentlichen Übeltäter.
Keiner wird schlecht geboren, so dieser Dreh. Wären nur nicht die miserablen
Wohnverhältnisse, der gewalttätige Vater, die Arbeitslosigkeit, der Kapitalismus
und so weiter und so fort … Sie werden das alles schon gehört haben,
wieder und wieder. Dann geraten Sie an einen Halunken aus gutem Haus, mit
normalen Eltern, der einen Job hat und nicht die Finger von der Kasse lassen
kann. Von dieser Sorte habe ich erheblich mehr erlebt. Das sind diejenigen,
gegen die ich ermittle. Manchmal gibt es eine bestimmte Kombination von
Umständen, auf die man ihren Diebstahl, ihre Spionage oder ihren
Vertrauensbruch zurückführen kann, aber eine Menge von ihnen, denke ich, haben
einfach den Drang, unehrlich zu sein. Oft nicht aus bitterer Notwendigkeit,
sondern weil es ihnen Spaß macht. Und egal, aus welcher Sicht man sie
betrachtet, als arme kleine Opfer der Gesellschaft oder als rücksichtslose
Störenfriede, sie schaden allen, die um sie herum sind.« Er verlagerte sein
Gewicht auf den Kissen. »Ich bin dazu erzogen worden, das höchst altmodische
Konzept des Fairplay zu achten. Noch nicht einmal in unserer angekratzten Welt
denkt man, im Krieg wäre alles erlaubt … Ich setze mich für faires Spiel
ein. Ich erreiche nur hier ein bißchen, da ein bißchen, und schon kommt der
nächste betrügerische Schlaukopf zum Zug … Was haben Sie mich gefragt?«
    »Sie haben es beantwortet«, sagte ich.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als ob
sie trocken wären. »Geben Sie mir mal das Wasser, ja?«
    Ich reichte ihm das Glas und stellte es hin, als er
getrunken hatte.
    Bedanken wir uns für die Niedertracht, dachte ich.
Die Jobs von Millionen hingen von ihr ab, auch der von Gerard. Polizei,
Rechtsanwälte, Steuerprüfer, Gefängnisaufseher, Richter, Sicherheitsbeamte,
Schlosser und Leute, die Alarmanlagen bauten … Was würde aus ihnen,
weltweit, gäbe es nicht die tausend Gesichter Kains.
    »Gerard«, sagte ich.
    »Mm?«
    »Wo beginnt und wo endet meine Beratertätigkeit?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nun … es gab keinen Tankwagen voll Scotch im Silver
Moondance. Dieser Rannoch Scotch, der ist noch irgendwo …
vielleicht als Laphroaig aufgemotzt, aber wahrscheinlich eher als Bell’s. «
    Gerard sah das Lächeln, das meine Mundwinkel
verzog, und gluckste wieder unter Schmerzen in sich hinein.
    »Sie meinen, Sie könnten ihn entdecken«, sagte er,
»wenn Sie in jeder Gaststätte von hier bis John o’ Groats einen trinken gehen?«
    »Bloß in Berkshire und Oxfordshire und bis hinauf
nach Watford. Sagen wir, fünfzigtausend Häuser für den Anfang … Ein
breites Angebot. Breit, wissen Sie, nennt man die unstete Bewegung von Bar zu
Bar.«
    »Bitte seien Sie still«, sagte er. »Lachen tut
weh.«
    »Mm«,

Weitere Kostenlose Bücher