Weinprobe
sagte ich. »Zirrhose, wir lieben dich.«
»Trotz alledem …«
»Es sollte nur ein Scherz sein.«
»Ich weiß. Aber … es ist was dran.«
»Ja. Gut, ich werde bei jeder Gelegenheit Scotch
trinken, wenn auch nicht in jeder Bar. Aber finden werde ich ihn nicht.«
»Man kann nie wissen. Irgendeine dunkle kleine
Kneipe in einer Seitenstraße in Reading …«
Ich schüttelte den Kopf. »Etwas in der Art des Silver
Moondance, mit Qualm, Getöse, Tanz und gewaltigem Umsatz.«
Sein Blick wurde nachdenklich. »Es kommt darauf an,
wieviel Kenneth Charter ausgeben möchte. Wie Sie sagen, es ist eine unglaublich
entfernte Möglichkeit … aber ich lege ihm die Sache mal vor. Unglaublich
entfernte Möglichkeiten zahlen sich mitunter aus, und ich kenne Fälle, da
standen die Chancen schlechter als fünfzigtausend zu eins.«
Ich hatte nicht erwartet, daß er mich beim Wort
nehmen würde, und es ließ das, was ich hauptsächlich hatte sagen wollen,
unwichtig erscheinen. Trotzdem sagte ich: »Ich habe Sergeant Ridger überredet,
mir eine der Weinflaschen aus dem Silver Moondance zu überlassen. Das
Etikett könnte aufschlußreich sein. Ich weiß, das hat auf den ersten Blick
nichts mit Kenneth Charters Tankwagen zu tun, aber ehm … wenn man mehr
über den Wein herauskriegt, könnte es einen wieder zu dem Scotch hinführen.«
Er sah auf die Fotokopie, die auf dem Bettuch lag.
»Zu Paul Young, meinen Sie?«
»Vermutlich … ja.«
Er sagte ruhig: »Informationen über Weinetiketten
fällt ganz entschieden unter Beratung. Zu nahe an Paul Young heranzukommen,
entschieden nicht.«
12
Henri Tavel bat mich in seinem kernigen
Französisch, meiner lieben Mutter seine Segenswünsche auszurichten.
Ich versprach es ihm.
Er sagte, er sei erfreut, nach so vielen Monaten
meine Stimme wiederzuhören, und bedauerte erneut unendlich den Tod meiner so
geliebten Frau.
Ich dankte ihm.
Er sagte, die Lese würde mir gefallen haben, es sei
ein reicher Ertrag an kleinen exzellenten Trauben voller Aroma gewesen; jeder
in Bordeaux verglich sie mit 1970.
Ich gratulierte.
Er fragte, ob ich Zeit für einen Besuch hätte.
Seine ganze Familie und meine vielen Freunde würden es begrüßen.
Ich bedauerte, daß mein Geschäft vorläufig keine
Reise zuließ.
Er verstand. C’est la vie. Er hoffte, mir
irgendwie behilflich sein zu können, da ich angerufen hatte. Auf solche Weise
ermuntert, erklärte ich dankbar die Geschichte mit dem falschen Wem, der unter
verschiedenen Etiketten lief.
»Ach«, sagte er, »das ist leider nur allzu
verbreitet. Ein großes Ärgernis.«
»Wenn ich Ihnen eins von den Etiketten beschreibe,
könnten Sie dann für mich herausfinden, ob es echt ist?« fragte ich.
»Selbstverständlich«, bejahte er. »Gleich morgen,
mein lieber Tony.«
Ich telefonierte von dem Büro im Geschäft aus, die
Flasche Saint-Estèphe stand vor mir.
Ich sagte: »Das Etikett ist von einem Château in
der Region Saint-Estèphe, ein Ort, den Sie ja gut kennen.«
»Die Heimat meiner Großeltern. Es gibt da niemand,
bei dem ich nicht fragen könnte.«
»Ja … Also, dieses Etikett stammt angeblich
vom Château Caillot. «Ich buchstabierte es ihm. »Ist es Ihnen
bekannt?«
»Nein, das nicht, aber bedenken Sie, daß es in
diesem Teil des Haut Médoc bestimmt zweihundert kleine Weinschlösser gibt. Ich
kenne sie nicht alle. Ich werde es feststellen.«
»Großartig«, sagte ich. »Weiter steht auf dem
Etikett: › Mis en bouteille par W. Thiery et Fils, Ne’gociants à Bordeaux. ‹«
Henri
Tavels Argwohn drang klar durch die Leitung. »Ich weiß von keinem W.
Thiery et Fils « , sagte er. Monsieur Tavel, selbst Négociant
à Bordeaux, hätte einen Händlerkollegen eher gekannt als ein Château, das
siebzig Kilometer nördlich liegen sollte. »Ich werde es feststellen«, sagte er.
»Außerdem steht auf dem Etikett der Jahrgang.«
»Welcher?«
»1979.«
Er grunzte. »Ergiebig und recht gut.«
»Es ist ein rundum ansprechendes Etikett«, sagte
ich. »Cremefarbener Grund mit schwarzer und goldener Schrift und der
Strichzeichnung eines eleganten Châteaus. Das Château kommt mir bekannt vor …
Ich wünschte, Sie könnten es sehen, vielleicht würden Sie’s wiedererkennen.«
»Lösen Sie es ab, mein lieber Tony, und schicken
Sie es mir.«
»Ja, das ginge.«
»Und der Wein unter dem Etikett?« fragte er. »Was
ist mit dem Wein?«
»Bei bloßer Schätzung vorwiegend italienisch.
Verschnitten vielleicht mit jugoslawischem,
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