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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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meinen
Schornstein bauen. Das haben sie schon mal gemacht. Den Pfeifen erzähl’ ich
was. Die kriegen einen Schock fürs Leben.«
    Ich sparte mir den Hinweis, daß Nester im Oktober
sicher unbewohnt waren. Bestimmt wußte sie es. Außerdem lächelte sie mit
hemmungsloser Schadenfreude und tauchte hinter dem Tresen mit der sagenhaften
Flinte wieder auf, in deren Schloß sie eine Patrone schob. Meine Gefühle bei
diesem Anblick wurden anscheinend von den meisten Anwesenden geteilt, aber
niemand kam auf die Idee, sie aufzuhalten, als sie auf den Kamin zuging.
    Ridgers Mund öffnete sich ungläubig.
    Mrs. Alexis stieß die Flinte in den geräumigen
Schornstein hinein und drückte ohne Umschweife ab. Es gab einen gedämpften
Knall im Mauerwerk und ein Klappern, als sie die Flinte beim Rückstoß auf die
Scheite fallen ließ. Alle anderen im Raum machten Stielaugen, doch
Mrs. Alexis hob ruhig ihr heruntergefallenes Eigentum auf und kehrte
zurück an den Tresen.
    »Noch einen Bell’s ?« fragte sie, als sie die
Schrotflinte längs unter der Theke verstaute. »Noch einen Tomatensaft?«
    »Ehm …«, sagte ich.
    Sie mußte lachen. »Der schnellste Weg, einen Kamin
zu säubern. Wußten Sie das nicht?«
    »Nein.«
    »Es ist eine alte Flinte … der Lauf ist nicht
gerade. Mit einem guten Gewehr würde ich nicht so umgehen.« Sie blickte zum
Kamin hin. »Der verdammte Rauch legt sich jedenfalls.«
    Es schien, daß sie recht hatte. Wilfred, der wieder
mit dem Blasebalg auf seinen Knien lag, erzeugte Rauch, der nach oben stieg,
nicht hinaus in den Raum. Die Augen der Zuschauer kehrten in ihre gewohnten
Höhlen zurück, und auch die Münder klappten zu, selbst der von Ridger.
    » Laphroaig « , sagte ich. »Bitte. Und
könnte ich mir Ihre Weinkarte ansehen?«
    »Wie Sie wünschen.« Sie streckte sich nach der
Flasche Laphroaig und goß eine gute Portion ein. »Sie und der Polizist …
weswegen sind Sie hier?« Die klaren Augen suchten in meinem Gesicht. »Dieser
Kripomann würde nicht bloß herkommen, um was zu trinken. Der nicht. Nicht wegen
Tomatensaft. Nicht so früh.«
    Ich bezahlte den Laphroaig und nahm die
Weinkarte, die sie mir hinhielt. »Wir suchen nach einem Scotch, der im Silver
Moondance als Bell’s abgefüllt auftauchte«, sagte ich. »Das heißt,
nach mehr davon.«
    Ihr scharfer Blick verstärkte sich. »Hier werden
Sie keinen finden.«
    »Nein, ich nehme es nicht an.«
    »Hängt das mit den Beschwerden vom letzten Monat zusammen?«
    »Die haben uns hergeführt, ja.«
    »Sie haben mir keine Vollmacht gezeigt.« Keine
Feindseligkeit, dachte ich; folglich kein Schuldbewußtsein.
    »Ich besitze keine. Ich bin Weinhändler.«
    »Wein …?« Sie dachte darüber nach. »Wie heißen
Sie?«
    Ich sagte es ihr und auch, wie mein Geschäft hieß.
    »Nie gehört von Ihnen«, meinte sie fröhlich.
»Würden Sie denn diesen Scotch erkennen, wenn Sie ihn kosten?«
    »Das ist der Grundgedanke. Ja.«
    »Dann mal viel Glück.« Sie warf mir einen
amüsierten und strahlenden Blick zu und wandte sich an einen anderen Gast, und
ich ging mit meinem Glas zu Ridger in der Erwartung, daß der Laphroaig nichts
anderes war als Laphroaig.
    »Sie ist abscheulich«, sagte Ridger. »Ich sollte
sie festnehmen.«
    »Mit welcher Begründung?«
    »Abfeuern einer Schußwaffe an einem öffentlichen
Ort.«
    »Das Innere eines Schornsteins ist wohl kaum ein
öffentlicher Ort.«
    »Das ist überhaupt nicht komisch«, meinte er
streng.
    »Der Rauch zieht ab«, sagte ich. »Der Schuß hat gewirkt.«
    »Ich dachte, Sie hätten vom Schießen ein für
allemal genug.«
    »Na ja, schon.«
    Ich trank den Laphroaig; rauchiger,
torfiger, in Eiche gealterter historischer Laphroaig – der echte.
    Ridger verbiß sich seine Enttäuschung, meckerte
über den Preis und zappelte unkollegial, während ich die Weinkarte las, die
handgeschrieben und umfassend war. Die schon bekannten Silver-Moondance- Namenwaren, zusammen mit vielen anderen, alle vertreten, doch als ich ihn darauf
hinwies, meinte er steif, sein Einsatz betreffe nur Whisky.
    Ich brachte die Weinkarte nachdenklich zurück zum
Tresen und bat Mrs. Alexis um eine Flasche Saint-Estèphe.
    Sie lächelte. »Selbstverständlich. Möchten Sie ihn
dekantiert haben?«
    »Noch nicht.« Ich ging den Rest der Karte mit ihr
durch und wählte Saint-Emilion, Mâcon, Valpolicella, Volnay und Nuits
Saint-Georges aus.
    »Gern«, sagte sie unbefangen. »Möchten Sie die
alle?«
    »Ja, bitte.«
    Sie verschwand kurz und

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