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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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freundlich.
    »Mit den Einheimischen geht’s gut?« fragte ich.
    »Sind Sie hier, um Scherereien zu machen?«
    »Nein.« Ich war verblüfft über den Groll, den er
sich nicht zu verbergen bemüht hatte. »Wie meinen Sie das?«
    »Dann entschuldigen Sie. Es war, weil Sie zwei
Whiskys aus verschiedenen Flaschen bestellt und so sorgfältig gekostet haben.
Irgendwer hat mir das Eichamt auf den Hals gehetzt. Ich würde zu knapp messen
und die Schnäpse panschen. Manchen Leuten hier paßt es nicht, daß ich den
Schuppen aufgemöbelt habe. Aber daß man dann gleich versucht, mir zu einer
Geldstrafe zu verhelfen oder zum Verlust meiner Lizenz … zu stark.«
    »Ja«, stimmte ich zu. »Hinterhältig.«
    Er wandte sich von mir ab, immer noch zweifelnd,
was im Grunde ja berechtigt war. Ich las Ridger auf, der sich rote Flecke vom
Mund wischte, und beim Hinausgehen ließen wir die ungetrunkenen Whiskys auf dem
Tisch zurück, was den Argwohn des armen Wirtes wahrscheinlich in harte
Gewißheit verwandelte.
    Ridger hakte die Kneipe auf dem Klemmbrett ab und
las die Notizen zu unserem nächsten Bestimmungsort vor. Dieser entpuppte sich
als riesengroßes unbeseeltes Backsteinhaus, gebaut in den dreißiger Jahren und
für eine Brauerei betrieben von einem geschniegelten Pächter mit einer
Leidenschaft für frische Luft. Selbst Ridger in seinem Regenmantel bibberte vor
den aufgerissenen Fenstern des Schankraums und murmelte, die Pinte sehe trist
aus. Wir waren zwar die ersten Gäste, aber trotz des graukalten Morgens brannte
kein elektrisches Licht, das durstige Fremde eingeladen und willkommen geheißen
hätte.
    »Tomatensaft bitte«, sagte ich. »Und einen Bell’s. «
    Der puritanische Wirt besorgte beides und nannte
verkniffen den Preis.
    »Und wäre es möglich, die Fenster zu schließen?«
    Der Wirt sah auf seine Uhr, zuckte die Achseln und
ging übellaunig herum, um den Oktober auszusperren. Mit einem so finsteren
Blick, überlegte ich, würde ich in meinem Laden nicht viel verdienen. Man
möchte für sein Geld immer etwas mehr als die Ware, die man verlangt, und es
ist diese ungreifbare Sonderleistung, die zum Wiederkommen aufruft oder davon
abhält. Der Whisky in diesem Lokal mochte ausgezeichnet sein, aber freiwillig
würde ich nie wieder herkommen.
    »Nun?« sagte Ridger und versah die Kosten auf
unserer Liste mit seinen Initialen. »Was haben wir?«
    » Bell’s. «
    Ridger nickte, trank diesmal kaum einen Mundvoll
aus seinem Glas. »Gehen wir dann?«
    »Mit Vergnügen.«
    Wir ließen den Wirt allein, der säuerlich seine
Fenster wieder öffnete, und Ridger zog im Wagen sein Klemmbrett zu Rate.
    »Das nächste ist ein Hotel, das Peverill Arms an
der Straße von Reading nach Henley. Mehrere Beschwerden über dünnen oder
geschmacklosen Whisky. Beschwerden untersucht am 12. September. Whisky bei
Stichproben für normal stark befunden.«
    Seine Stimme vermittelte etwas über die gewohnte trockene
Information hinaus: einen Vorbehalt, nahezu eine Angst.
    »Sie kennen das Hotel?« fragte ich.
    »Ich war schon dort. Ruhestörung.« Er verstummte
mit Entschiedenheit, ließ den Wagen an, und sein steifer Nacken bebte vor
Mißbilligung, während er fuhr.
    Aus diesen Zeichen schloß ich, daß wir vielleicht
unterwegs zu einem Halbstarkentreff mit Hell’s Angels wären, mußte aber zu
meiner Belustigung bei der Ankunft feststellen, daß Ridgers Teufel eine Frau
war.
    Eine Frau überdies von statuenhaften Proportionen,
sechs Fuß groß mit der üppigen Figur der Venus von Milo, deren Hüftumfang einen
Meter sieben betrug.
    »Mrs. Alexis«, murmelte Ridger. »Vielleicht
erinnert sie sich nicht an mich.«
    Mrs. Alexis würdigte unsere Ankunft
tatsächlich kaum eines Blickes. Mrs. Alexis überwachte gerade das Anzünden
von Holzscheiten in dem riesigen Kamin in der Eintrittshalle, ein Unterfangen,
das schon bald beißenden Qualm im Überfluß erzeugte, aber nur wenige richtige
Flammen.
    Abgesehen von dem trüben Rauchschleier, der unter
der Decke schwebte, hob die Halle die Stimmung der Eintretenden: chintzbezogene
Sitzgruppen, warme Farben, funkelnde Kupferkannen, eine undefinierbare Aura von
Erfolg. Am anderen Ende stand ein breiter Tresen, offen, aber unbeaufsichtigt,
und aus dem Kamin ragte die behoste Kehrseite des glücklosen Feueranzünders,
sehr zum Interesse und Amüsement einzelner in den Sesseln verstreuter Gäste.
    »Du lieber Gott, Wilfred, hol doch den verdammten
Blasebalg«, sagte Mrs. Alexis vernehmlich. »Du siehst

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