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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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kam mit einem unterteilten
Korb und den sechs verlangten Weine wieder. Ich nahm die Flaschen der Reihe
nach heraus, um die Etiketten zu lesen. Durchweg die richtigen Namen, aber
keiner vom richtigen Jahrgang.
    »Wir haben alle 1979er verkauft«, erklärte sie
geduldig, als ich darauf hinwies. »Wir bringen die Weinkarte laufend auf den
neuesten Stand, deshalb lassen wir sie auch nicht drucken. Im Moment schreiben
wir gerade eine neue. Diese Weine hier sind besser. Möchten Sie sie also, oder
nicht?«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Nein.«
    Sie stellte den Flaschenkorb wortlos zu ihren Füßen
ab und lächelte mich ironisch an.
    »Kennen Sie das Silver Moondance? «fragte
ich.
    »Schon davon gehört. Wer hätte das hier in der
Gegend auch nicht? Bin noch nie dagewesen. Nicht mein Stil. Jedenfalls sagte
man mir, es sei eine Binsengeschichte.«
    »Binsen …?«
    »In die Binsen gegangen«, sagte sie geduldig. »Die
Bank will zwangsvollstrecken. Erst heute morgen ist das Personal gefeuert
worden. Einer der Köche hat sich telefonisch nach einem Job bei mir erkundigt.«
Sie sagte es amüsiert, als sei die Schließung etwas Komisches, aber schon seit
wir dort waren, hatte sie den gleichen Ausdruck im Gesicht; ihre Wangenmuskeln
schienen auf herablassenden Spott geeicht zu sein.
    »Im Silver Moondance « , sagte ich
milde, »hat man einen einzigen Wein unter sechs verschiedenen Etiketten verkauft.«
    Ihr Ausdruck änderte sich nicht, aber sie blickte
auf ihre Füße hinunter.
    »Ja, diese«, sagte ich. »Beziehungsweise diese
nicht.«
    »Wollen Sie mich beleidigen?«
    »Nein, nur aufklären.«
    Die leuchtenden Augen beobachteten mich ruhig. »Und
den Wein suchen Sie genauso wie den Scotch?«
    »Ja.«
    »Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann.«
    »Vielleicht ist es gut so«, sagte ich.
    »Weshalb?«
    »Nun … ich glaube nicht, daß es allzu gesund
ist, viel über diesen Wein zu wissen. Der Oberkellner des Silver Moondance wußte
zweifellos, was er verkauft hat … und er ist tot.«
    In ihrem Gesicht änderte sich nichts. »Mir droht
keine Gefahr«, sagte sie. »Das kann ich Ihnen versichern. Möchten Sie noch
etwas?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wir machen uns mal auf
den Weg«
    Ihr Blick glitt an mir vorbei, heftete sich auf
Ridger, und mit noch immer unveränderter Miene sagte sie: »Ich lobe mir Männer,
die sich von Kronleuchtern schwingen. Ich lobe mir einen gottverdammten Mann.«
Ihr Blick kehrte zu meinem Gesicht zurück, der Spott war jetzt ganz ausgeprägt.
»Die Welt ist doch zum Sterben langweilig.«
    Ihre üppigen Haare waren von dunklem Rotbraun, das
vor Gesundheit und Tönungsmittel glänzte, und ihre Fingernägel waren hart und
lang wie Krallen. Eine Frau von pulsierendem Appetit, die mich lebhaft an all
die Tierarten erinnerte, bei denen das Weibchen sein Ehegespons zum Frühstück
verputzt.
    Wilfred (demnächst auf der Speisekarte?) lag immer
noch vor dem Feuergott auf Knien, als Ridger und ich uns schließlich zur Tür
begaben. Gerade als Ridger vor mir hinausging, ertönte ein weicher Plumps aus
Richtung des Schornsteins, und eine Wolke von aufgestörtem, freigeschossenem
Ruß senkte sich als feuchtwogende Masse auf Holzscheite, Flammen und Mann
herab.
    Versteinert beobachtete das Publikum in den
Sesseln, wie Wilfred sich unheilvoll erhob gleich einem struppigen,
halbherzigen Dämonenkönig, schwarzen Regen um sich her verstreute und mit
großen Augen langsam blinzelte wie ein überraschter Uhu in einer finsteren
Nacht.
    »Den blöden Schornsteinfeger werde ich verklagen«,
sagte Mrs. Alexis.

16
     
    Wir fuhren an diesem Tag noch zu vier
weiteren Gaststätten, und ich wurde den ewigen Geschmack von reinem Bell’s leid. Ridger versah sein Klemmbrett mit Anmerkungen und zeigte nicht die
geringste Enttäuschung, während sich Glas um Glas als echt erwies. Die
Kneipenrundfahrt war für ihn ein Job wie jeder andere, so schien es, und er
würde sie phlegmatisch fortführen, bis er andere Weisungen erhielt.
    Er war ein Mann ohne Rebellion, dachte ich, einer,
der nie einen Befehl hinterfragte oder die Ordnung der Dinge; er lebte genau am
entgegengesetzten Ende des Spektrums wie Kenneth Charters Sohn, der so gemein
über die Stränge schlug. Irgendwo zwischen den beiden befand sich der Rest von
uns, nörgelnd, Parteien bildend, ausdauernd und gleichmütig, bestrebt, aus
unserer unvollkommenen Entwicklung das Beste zu machen.
    Gegen Ende fragte ich ihn, ob man irgendeine Spur
von dem Transporter

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