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Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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Kindfrau eine – neutral formuliert – zielstrebige Person stand, unter anderem.
    Sie nahm einen neuen Bogen, ließ jetzt die Namen fort; das machte es leichter. Sie schrieb: der Ehemann, eifersüchtig. Der Rivale, borniert. Die Herzensdame, gerissen. Die nahe liegende Handlung wäre: Der Ehemann und der Rivale geraten, aufgehetzt von der Herzensdame, in Streit. Die Auseinandersetzung entwickelt sich dramatisch. Der Ehemann kommt ums Leben. Der Rivale taucht unter, und die Herzensdame gibt die trauernde Witwe, bis sich die Wogen geglättet haben.
    Doch so simpel ließ sich das Rätsel nicht lösen. Fischer war eben nicht im Affekt erschlagen worden. Der Mörder hatte mit einer Kaltblütigkeit gehandelt, die einer Hinrichtung gleich kam. Dafür besaß Arthur nicht die Nerven. Über so viel Ausdauer verfügte sein Zorn nicht. Abgesehen davon glaubte sie nicht, dass Arthur jemals mit einer Waffe geschossen hatte, obwohl er durchaus an ihrer Dienstpistole interessiert gewesen war. Der Mörder schien ein geübter Schütze zu sein.
    Bei diesen Überlegungen durfte sie nicht ausschließen, dass Arthur selbst zum Opfer geworden war. Wessen Opfer? Aus welchem Grund? Diesen Aspekt nüchtern zu durchdenken, fiel ihr schwer. Trotzdem gelangte sie zu der zweiten Hypothese, nach der Fischer in der Nacht zum Samstag seinem Widersacher Arthur auflauert und ihn zur Rede stellt, bis der Streit eskaliert. Fischer bringt Arthur um und versteckt die Leiche. Am nächsten Morgen erscheint Diane als Rachegöttin auf dem Weinfest und übt Vergeltung für den Tod des Geliebten. Diane, eine Mörderin? Eine Vorstellung, von der ein gewisser grausiger Reiz ausging. Die Theorie besaß nur einen Fehler: Dianes Schuhgröße stimmte unmöglich mit den Füßen des Mörders überein. Norma hatte unter der Kutte Männerfüße gesehen. Daran gab es keinen Zweifel.
    Trotzdem konnte es nicht schaden, Diane auf den Zahn fühlen zu lassen.
    Norma griff nach dem Telefon. Sie wollte eine Nachricht hinterlassen, aber zu ihrer Verwunderung meldete sich Wolfert persönlich.
    »Ist eure Besprechung schon vorbei?«, fragte Norma.
    Er sei eben wieder ins Büro gekommen, erklärte Wolfert.
    Viel gab es bei der Soko Weinfest nicht zu klären, schloss Norma daraus. »Das kurzsichtige Mädchen hat sich nicht geirrt.«
    »Gibt es dafür einen Beweis?«, wollte Wolfert mit gewohnheitsgemäßer Skepsis wissen.
    »Sofern dir zwei Flugtickets genügen. Ich habe sie hier. Auf Arthurs Schreibtisch.«
    Sie solle in der Wohnung bleiben, bat er. Er und Milano seien schon unterwegs.
    Sie brauchten 15 Minuten. Norma hatte den Wagen gehört und öffnete die Wohnungstür, als die Männer die Treppe hinaufstiegen. Milano folgte dem agilen Wolfert auf den Fersen und schnaufte, als würde er den Pfad zum Neroberg aufwärts traben.
    Die Tickets nahm er wie eine kostbare Beute in Empfang. »Morgen also wollte unser hübsches Pärchen abheben! Die Dame wird uns einiges zu erklären haben.«
    Er zückte sein Handy und verschwand in der Küche.
    Wolfert begleitete Norma ins Wohnzimmer. Abwartend blieb er mitten im Raum stehen; die Hände vor dem hageren Körper verschränkt. »Ich weiß noch nicht, auf welche Weise dein Mann in den Fall eingebunden ist. Aber ein Zusammenhang scheint mir sicher.«
    Norma war an das Fenster getreten. Unten auf der Taunusstraße herrschte ein gewohntes Treiben. Das Mädchen vom Blumenladen gegenüber trug einen Kübel voller Blütenpracht auf den Bürgersteig hinaus.
    »Was ist mit der Spur nach Osteuropa?«
    »Darum kümmern sich die Kollegen.« Wolfert suchte nach Worten. »Norma, es lässt sich nicht vermeiden. Wir werden die Wohnung durchsuchen müssen. Die richterliche Anordnung …«
    Norma wandte sich um. »Spare dir die Erklärungen, Dirk! Schließlich kenne ich die Vorgehensweise.«
    Wolfert nahm die Brille ab. Befreit von den schweren Gläsern, wirkte sein Gesicht ungewohnt nackt und erinnerte sie mit seinem behutsamen Lächeln an ein scheues Nagetier. Er hauchte auf die Brillengläser und rieb sie sorgfältig mit einem Papiertaschentuch sauber. Es sei ihm unangenehm, im Privatleben einer ehemaligen Kollegin herumzustochern, entschuldigte er sich. Das würde sie ihm hoffentlich glauben? Die aufgesetzte Brille verscheuchte den flüchtigen Eindruck schüchterner Unsicherheit. Eine Spur von Schärfe mischte sich in den Tonfall. Ob sie wahrhaftig keine Ahnung von dem Verhältnis gehabt habe?
    »Wie heißt es immer? Frauen spüren so etwas.«
    Milano

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