Weinrache
trat ins Zimmer. »Dirk hat recht! Was verheimlichst du uns? Rede Klartext, Norma!«
Norma zählte in Gedanken langsam bis drei; nach ihrer Erfahrung die wirkungsvollste Methode, provokante Fragen gleichmütig zu kontern. Die Jungs machten nur ihren Arbeit, und Milano war berüchtigt für seine polternde Art, von der sie sich nicht ins Bockshorn jagen lassen wollte.
»Luigi, willst du mir unterstellen, ich würde eure Arbeit boykottieren?«
Milano schob die Arme über den beleibten Bauch. »Dein Mann ist spurlos verschwunden, Norma. Und dass eure Ehe am Ende war, ist kein Geheimnis …«
»Das habe ich euch nicht verschwiegen!«, unterbrach sie ihn.
Die Arme blieben am Platz, als er Norma einen Schritt entgegen trat. »Wie wäre es, wenn du uns von Kolumbien erzählst?«
Bis drei zu zählen, reichte nicht! Norma schloss die Augen.
Milano schlich näher. Sie spürte seinen Atem in ihrem Gesicht. »Was genau ist dort passiert, Norma?«
Sie hatte sich gefangen und begegnete seinem Blick. »Das geht allein Arthur und mich etwas an. Mit seinem Verschwinden hat das nichts zu tun. Und genauso wenig mit dem Mord an Fischer.«
Milano wandte sich zu Wolfert um. »Wir könnten bei den Kollegen vom BKA nachfragen. Was meinst du, Dirk?«
Wolfert ruckelte an der Brille. »Norma, wir wollen dir keine unnötigen Schwierigkeiten machen. Rede mit uns.«
Norma bewegte sich auf die Zimmertür zu. »Was soll das? Ihr glaubt doch nicht, dass Arthur zum zweiten Mal entführt wurde?«
Milano grinste sie an. »Ich für meinen Teil glaube nicht, sondern weiß, dass eine Menge Staub aufgewirbelt wird, wenn wir mit einer offiziellen Anfrage zum BKA gehen. Du hast die Wahl!«
»Ich habe vor allem die Wahl, euch hinauszubitten.« Sie öffnete die Tür. »Der Besuch ist beendet. Kommt wieder, wenn ihr einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung vorweisen könnt. Eurer Anfrage beim BKA wird niemals stattgegeben.«
Milano setzte sich in Bewegung. »Es gibt andere Mittel und Wege herauszufinden, was in Kolumbien los war.«
Wolfert fühlte sich unwohl in seiner Haut. Er schwitzte. Auf dem Flur wandte er sich um: »Nichts für ungut, Norma. Wir erledigen nur unseren Job.«
Sie hielt ihnen die Tür auf.
Wolfert schaute zerknirscht. »Du bist ein Profi, Norma.«
Hinter den Männern drehte sie den Schlüssel herum. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Allein die Vorstellung, Arthurs arrogantes Benehmen in Kolumbien und sein Verrat an ihr würden im Präsidium breitgetreten, machte sie krank. Sie wusste zu genau, wie das lief. Polizisten waren auch nur Menschen, und was konnte interessanter sein als intime Details – ob von Kollegen oder Ex-Kollegen? Man hatte sich bei ihrer Kündigung das Maul zerrissen und allen Spott über ihren neuen Beruf ausgegossen. Es war schwer genug, als Privatdetektivin ein Bein an den Boden zu bekommen. Wenn die Entführungsgeschichte aufgewühlt wurde, käme noch das Mitleid dazu. Eine entwürdigende Vorstellung.
Während sie weiterhin rücklings an der Tür lehnte, verstand sie plötzlich, dass nichts aufzuhalten war. Die Ereignisse hatten sie eingeholt. Wollte sie von dem Geschehen nicht überschwemmt werden, musste sie in den Fluten mitschwimmen.
Norma Tann hatte sich noch niemals unterkriegen lassen.
14
Der schwarze Anzug hing, umhüllt von einer Folienhaut, sauber und aufgebügelt am Garderobenhaken neben der Tür und wartete auf seinen Besitzer. Norma hatte nach ihrer Rückkehr mehrere Telefonate geführt. Das letzte Gespräch galt Irene im Polizeipräsidium; gewöhnlich eine sichere Bank für Informationen aller Art. Allerdings gebärdete Irene sich bisweilen launisch, und in einer angestrengten Gemütslage hielt sie sich mit Auskünften zurück. Sie habe Norma immerhin schon die Personalien des Mannes besorgt, erwiderte sie unwirsch.
»Wer A sagt, muss auch B sagen«, erklärte Norma spitzfindig. »Du sollst lediglich einen Blick in die Datei werfen. Ich muss wissen, ob gegen Konstantin Sundermann etwas vorliegt.«
Irene schimpfte durch das Telefon. »Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Ich habe alle Hände voll zu tun für die Soko Weinfest, und Luigi schikaniert mich, wo er nur kann.«
»Wie laufen die Ermittlungen?«
Es gab eine kurze Pause, als müsste Irene in den Flur hinein lauschen, bevor sie mit gesenkter Stimme erklärte, der Verdacht konzentriere sich, nach den jüngsten Erkenntnissen der Herren Milano und Wolfert, auf die bezaubernde Witwe. Sie habe einen
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