Weinrache
darum kümmern. Zuvor brauchte er einen Rat. Er hatte die Feier zu seinem 60. Geburtstag im großen Rahmen geplant, mit aufwendigem Büffet und Livemusik und dafür einen Saal im ›Parkhof‹ reservieren lassen. Ein solches Fest war in dieser Situation undenkbar geworden. Bruno hatte sich zum zweiten Mal als großzügig erwiesen und die Absage ohne Nachforderungen akzeptiert. Aber den runden Geburtstag einfach zu übergehen, was Lutz am liebsten wäre, konnte er sich nicht erlauben. Schließlich besaß er gesellschaftliche Verpflichtungen.
»Warum gibst du nicht stattdessen am Vormittag einen Empfang?«, schlug Norma vor. »Für diese Änderung werden deine Gäste Verständnis haben.«
Das sei auch seine Vorstellung, pflichtete er ihr bei. Aber wo? Der ›Parkhof‹ sei am Morgen seines Geburtstags ausgebucht. Er wolle Bruno entgegenkommen und ihm die Möglichkeit geben, seinen Verdienstausfall wettzumachen. »Was hältst du vom ›Räuber Leichtweis‹? Du kennst doch Taschenmachers Weinstube in der Altstadt.«
Dort sei es gemütlich, stimmte Norma ihm zu, und mit Gabi habe er einen perfekten Service zu erwarten. Aber die Räume waren nach ihrer Einschätzung zu klein für die Anzahl der Gäste, mit denen er zu rechnen hatte.
Schade, meinte Lutz und trank von dem Kaffee, der köstlich schmeckte. Sie beobachtete zufrieden, wie er sein Getränk genoss, und sagte dann: »Bruno hat in Eltville eine Weinstube eröffnet. Vielleicht kommt das Lokal für den Empfang in Frage?«
Lutz wunderte sich. »Davon hat er mir gar nichts gesagt. Aber lass uns trotzdem die neue Weinstube ansehen. Ich würde dich gern zum Essen einladen. Wie wäre es gleich heute Abend?«
Zuvor wollte er ihr bei dem Papierkram helfen.
Gegen halb acht verließen sie die Wohnung. Den kurzen Weg zu Lutz’ Garage legten sie schweigend zurück. Wenigstens was Normas finanzielle Situation betraf, konnte er beruhigt sein. Lutz verfügte selbst über genügend Einkommen für ein bequemes Leben, und als Witwe musste sich auch Norma keine Sorgen machen, sofern sie klug mit dem Vermögen wirtschaftete, wovon er ausging. Er hatte sie beinahe drängen müssen, Arthurs Erbe anzunehmen. Sie schien vor allem aus dem einen Grund einzulenken, dass sie nun ihre Existenz als Private Ermittlerin fortsetzen konnte, ohne auf jeden Auftrag angewiesen zu sein.
Lutz steuerte den Wagen, und Norma rief von unterwegs im ›Räuber Leichtweis‹ an und ließ sich von Gabi den Weg zur Eltviller Weinstube beschreiben. Über den Lautsprecher konnte Lutz das Gespräch verfolgen. Brunos rechte Hand freute sich über das Interesse an dem Lokal. Leider sei der Chef an diesem Abend nicht persönlich anzutreffen. Bruno befinde sich in einer Besprechung mit dem Anwalt, der Moritz Fischers Erben vertrat. Sie müssten mit dem Geschäftsführer vorlieb nehmen.
»Stell dir vor, endlich kann Bruno das ›Marcel B.‹ aufmachen«, klang eine schwärmerische Frauenstimme durch den Wagen. »Reichels ist endgültig abgesprungen, sagt Bruno. Die Witwe von Fischer hat gar nichts zu bestimmen.«
»Weißt du, wie wir fahren müssen?«, fragte Norma, nachdem sie das Gespräch beendet hatte.
Der schmucke Ort lag, von Wiesbaden aus betrachtet, als einer der Ersten in der langen Reihe der Rheingauer Winzerorte. Lutz kannte sich in den verwinkelten Sträßchen gut genug aus, um in der Nähe der Weinstube einen Parkplatz zu finden. Das Weinlokal befand sich in einem herausgeputzten Fachwerkhaus mit roten Balken. Norma studierte die Karte im Schaukasten. Sie hatte während der Fahrt auf ihren knurrenden Magen hingewiesen, weil sie nach dem Termin beim Anwalt keine Zeit mehr zum Essen gefunden habe.
»Ist etwas für dich dabei?«, fragte Lutz.
Sie hatte schon vegetarisch gelebt, als sie Arthur kennen lernte, erinnerte sich Lutz.
Für ihren Geschmack stünden mehrere Gerichte zur Auswahl, erklärte sie erfreut.
Er hielt die Tür auf und folgte der jungen Frau in den Gastraum. Was er dort sah, sagte ihm zu: eine stimmige Mischung aus Weinkeller und Gourmetrestaurant. Ein passender Rahmen für seinen Geburtstag, zumal das Lokal mehr Plätze bot, als man von außen vermuten konnte.
»Das sollte gehen«, flüsterte er Norma zu. »Aber wir wollen zuerst die Küche testen.«
Ein freundlicher junger Mann brachte die Karten und kurz darauf den Wein, einen ›Eltviller Sonnenberg‹ für Norma und für Lutz einen ›Erbacher Marcobrunn‹. Der Wein ließ sich bestens trinken, und das Essen erfüllte die
Weitere Kostenlose Bücher