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Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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Einladung gefolgt waren. Genau genommen war Bruno Taschenmacher der Gastgeber. In Gedenken an seinen langjährigen Freund übernahm er die Bewirtung im ›Parkhof‹. So viele Menschen waren gekommen: langjährige Kunden, Arthurs Freunde und die Verwandtschaft der Tanns. Folke und ihre Mutter gehörten nicht zu den Trauergästen. Norma hatte auf dem Hof angerufen. Die Mutter griff nicht einmal zur Notlüge und schob die Arbeit im Kuhstall vor, sondern erklärte spitz, sie habe Arthur kaum gekannt und Norma lasse sich Zuhause nie blicken. Warum also sollte sie die weite Fahrt auf sich nehmen? Norma hatte damit gerechnet, und trotzdem schmerzte die Absage. Wie lange wollte die Mutter ihr den Tod des Vaters noch vorwerfen? Er war ihre große und einzige Liebe gewesen und sein Tod eine Katastrophe, entstanden aus einem nichtigen Anlass. Norma hatte mit dem Vater gestritten und sich voller Trotz im Hühnerstall versteckt, während er auf dem Heuboden nach ihr suchte. Er brach durch eine morsche Bohle und stürzte unglücklich auf eine Egge. Als die Mutter ihn fand, war er ohne Bewusstsein. Er erwachte nicht aus dem Koma und starb einige Tage später im Krankenhaus.
    Norma saß am Fenster und schaute auf die Pfützen, in die der Regen Blasen hämmerte. Sie hoffte, man würde sie in Ruhe lassen, solange sie den Kopf nicht den Menschen in ihrem Rücken zuwandte. Zuvor hatte sie Hände geschüttelt, Worte gewechselt und Beileidsbekundung-en entgegengenommen und war sich wie eine Lügnerin vorgekommen, eine überforderte Schauspielerin. Jeder wusste von der Trennung, vom Ende der Liebe.
    Trotz allem war sie von Arthurs Tod stark berührt. Ihre Trauer betraf weniger Arthur selbst als das, was der Tod mit sich nahm: Arthurs Hoffnungen und Träume und Jahre ihres eigenen Lebens. Die Erbärmlichkeit seines Sterbens erschien ihr wie ein Spiegelbild des Desasters ihres letzten Ehejahres. Eine Gewissheit gab ihr Trost: Die Entführung war tatsächlich Dianes üble Erfindung und hatte mit Arthurs Tod nichts zu tun. Sie wollte Diane nicht anzeigen. Es war ihr zu schäbig, sich länger damit abzugeben. Außerdem half es Arthur nicht mehr, und Diane war gestraft genug. Sie hatte mit dem Ehemann ihre wirtschaftliche Sicherheit verloren und mit dem Geliebten die Zuneigung, die ihr Moritz Fischer vorenthalten hatte. Norma hatte nicht erwartet, dass ausgerechnet Diane einmal ihr Mitleid wecken würde. Vor der Trauerfeier war es zu einem kurzen Gespräch gekommen. Norma fragte nach dem toten Hündchen.
    Diane erzählte nach kurzem Zögern, sie hätte Arthur den kleinen Körper zur Aufbewahrung gegeben. »Es war Arthurs Idee, Cleo aufzuheben. Er wollte etwas gegen Moritz in der Hand haben, falls er uns Ärger machen würde. Moritz ahnte etwas von unserem Verhältnis, war sich aber nicht sicher. Aus Wut hat er Cleo umgebracht!«
    Norma dachte an die Löcher in der Schlafzimmertür. »Wie hast du sie gefunden?«
    Diane schnäuzte in ein Taschentuch, das so tiefschwarz war wie ihre Trauerkleidung. »Ich kam vom Golfen und ging in mein Schlafzimmer. Als ich die Tür hinter mir zumachen wollte, hing etwas daran fest. Meine kleine Cleo!«
    Ihre Stimme ging in Tränen unter.
    Eine eigenwillige Methode, einen Ehebruch anzuprangern, dachte Norma angewidert und versuchte, Diane mit der Erkenntnis zu beruhigen, dass der Hund zuvor an seiner Herzkrankheit gestorben wäre und Moritz die Situation ausgenutzt hätte. Diane wischte sich verwundert die Augen trocken und schrieb sich den Namen des Tierarztes auf. Norma beschloss, sie ein andermal wegen der Erpressung zur Rede zu stellen.
    Tiri wusste noch nicht, dass die Erpressung aufgedeckt war. Er hatte sich nicht blicken lassen, und Norma konnte bisher jeder Versuchung widerstehen, die Nummer auf dem Bierdeckel anzuwählen. Dagegen hatte sie mehrmals bei der Architektin angerufen, war aber immer mit dem Anrufbeantworter verbunden worden.
    Mit diesen Gedanken überstand sie die Trauerfeier. Das erste Innehalten, so schien es ihr nach den aufwühlenden Tagen der vergangenen Woche. Zwei von Arthurs langjährigen Geschäftsfreunden sprachen ein paar angemessene Worte. Lutz kam nach der Trauerfeier nicht mit in den ›Parkhof‹. Er zog sich in seine Wohnung zurück; er wollte allein sein. Tage danach schämte er sich noch dafür, ihr die Identifizierung überlassen zu haben, und war gleichzeitig erleichtert, dieser Aufgabe entronnen zu sein. Norma konnte es ihm nachfühlen. Durch die Erfahrungen aus ihrer

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