Weinstrassenmarathon
dass an der ganzen Geschichte etwas faul war, und dieses Etwas hatte früher in der Vitrine gelegen. Vor Röders geistigem Auge tauchte eine prächtige Krone auf, die ein sehr würdevoll aussehender Mann trug. Er holte tief Luft, um die Vision zu verscheuchen.
»So ein Quatsch«, murmelte er.
Zu Hause erklärte er Manu sogleich sein Dilemma, worauf sie nicht gerade begeistert reagierte.
»Ist dir Achim jetzt schon wichtiger als deine Familie?«, fragte sie scharf.
»Nein, natürlich nicht. Aber er ist in einer echten Krise. Du solltest mit ihm reden. Du wirst ihn nicht wiedererkennen.«
»Wahrscheinlich wollt ihr nur einen saufen gehen. Diese Krisen kenne ich.«
Es dauerte noch eine Weile, bis Röder seine Frau halbwegs überzeugt hatte.
Hellinger kam fünf vor sieben. Er hatte einen Rieslingsekt aus eigener Herstellung dabei. Natürlich mussten Röder und Manu mit ihm ein Gläschen trinken, um sich auf den Abend einzustimmen. Bei Röder nutzte es nichts. Ihm graute es vor dem Abend. Als sie schlieÃlich im Deidesheimer Hof ankamen und Liebstöckl dort schon wartete, fühlte er sich vollkommen bestätigt.
»Liebchen! Mensch, ist das lange her!« Röders Zehennägel rollten sich auf, als seine Frau Liebstöckl mit seinem alten Spitznamen und Küsschen begrüÃte. Hellinger sah Röder von der Seite an, und Röder verstand den Blick. Nach diesem Abend hatte Röder einen Gefallen schuldig bei seiner Frau, und für dieses Guthaben würden sie gemeinsam nach München fahren.
An Hellinger konnte sich der Kotzbrocken auch noch erinnern, der hatte ihm nämlich mal ein blaues Auge auf dem Schulhof geschlagen. Liebstöckl war damals ein waschechter Sozi gewesen und lag öfters im Clinch mit konservativen Winzersöhnen.
»Na, Schwamm drüber«, sagte Liebstöckl gönnerhaft und stieà mit Hellinger an. Röder hoffte, dass das Gespräch auf Politik kommen würde und die Fronten die gleichen wie damals sein würden. Hellinger konnte immer noch ganz schön emotional werden. Vielleicht war zum schnellen Abschluss des Treffens nur ein weiteres blaues Auge notwendig.
Im Laufe des Abends, dessen einziger Lichtblick das vorzügliche Essen war, konnte Röder seine Forderung bei Liebstöckl einlösen.
»Liebstöckl, jetzt halte du auch deinen Teil der Vereinbarung. Warum habt ihr den Dr.  Hoffmann rausgeschmissen?«
»Hör mal, ich bin Personalprofi. Ich schmeiÃe niemanden raus. Wir haben uns im beiderseitigen Einvernehmen getrennt.«
»Also gut. Warum habt ihr euch im beiderseitigen Einvernehmen getrennt?«
Liebstöckl sah zufrieden aus.
»Das kam so: Hoffmann hatte eine Ausstellung über die Römer in der Pfalz organisieren sollen. Ein wichtiger Teil der Ausstellung sollte die Glasherstellung der Römer sein. Vielleicht erinnert ihr euch, das war damals, als man bei Gönnheim diese wunderschönen Glasflakons gefunden hatte, die niemand in der Provinz erwartet hätte. Das war eine richtige Sensation, und sie sollten ein Mittelpunkt der Ausstellung sein.«
»Ja, ich erinnere mich. Und weiter?«
»Er war verantwortlich für die Objekte, und eines Tages, während des Aufbaus, waren drei der wertvollsten GlasgefäÃe verschwunden.«
»Hat er sie gestohlen?«
»Nein, er hatte offensichtlich nichts damit zu tun. Einer der Handwerker hat den Diebstahl zugegeben. Er hat von einem Mittelsmann fünftausend Euro bekommen, damit er die GefäÃe mitgehen lieÃ. Der Mittelsmann und die GefäÃe blieben zunächst verschwunden.«
»Was hat dann Hoffmann mit der Sache zu tun gehabt?«, wollte Röder wissen.
»Es war nicht das erste Mal, dass so etwas bei seinen Projekten passierte. Das hat ihm schlieÃlich den Rauswurf gebracht.«
»Ich dachte, du schmeiÃt keinen raus?«, sagte Röder, und Hellinger lachte.
Liebstöckl wurde rot. »Ich meine ja auch, da haben wir uns entschlossen, uns von ihm im beiderseitigen Einvernehmen zu trennen. Es hat auch zäher Verhandlungen bedurft, und er hat eine nette Abfindung kassiert. Jedenfalls ist seitdem weitgehend Ruhe.«
»Man konnte ihm nie was nachweisen?«, wollte Hellinger wissen. Liebstöckl schüttelte den Kopf.
»Sind die GlasgefäÃe wieder aufgetaucht?«, fragte Röder.
»Eines ist in München, bei einem Kunsthändler, aufgetaucht. Die
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