Weinstrassenmarathon
angeschaut. Irgendetwas stimmte mit den Bildern nicht. Die Erkenntnis traf ihn gleichzeitig mit dem Gefühl, dass er sich verlaufen hatte. Benebelt vom Alkohol und von den stürmischen Ereignissen der letzten Tage, hatte er irgendwo die richtige Abzweigung verpasst. Panik überkam ihn, und der Regen setzte wieder ein. Röder zwang sich zur Ruhe. Er hielt sich rechts und hatte damit die richtige Entscheidung getroffen. Er war im Poppental gelandet. Nach einigen Kilometern Umweg kam er am Wachenheimer Schützenhaus raus. Der Heimweg über Wachenheim, an der StraÃe entlang, war beschwerlich. Röder fror jämmerlich, und der Regen wurde stärker. Vollkommen durchnässt kam er nach Hause. Er nahm eine heiÃe Dusche und fiel in sein Bett. Manu reagierte nicht, obwohl sie ihn wohl hatte kommen hören.
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Am folgenden Morgen trafen sich Röder und seine Frau beim Frühstück, das allerdings nicht sehr munter verlief. Manu sagte kein Wort und mischte sich ihren Instantkaffee, während Röder nach althergebrachter Sitte seinen Kaffee aufbrühte. Er wollte Manu etwas sagen, aber ihre abweisende Art hinderte ihn daran und lieà ihn tiefer in seine schlechte Laune abtauchen. An eine normale Kommunikation war nicht zu denken, und schlieÃlich verabschiedete sich Röder mürrisch zur Arbeit. Er nahm nicht die Autobahn, sondern die LandstraÃe. Das tat er immer gern, wenn er Zeit hatte und um den Wechsel der Jahreszeiten zu genieÃen. An diesem Tag fuhr er rein mechanisch die Strecke ab, bis er schlieÃlich an seiner Arbeitstätte angekommen war. Er schob seinen Ausweis in den Leseapparat ein und belegte einen der reservierten Parkplätze.
Im Büro türmte sich die Arbeit, aber er breitete zuerst die Unterlagen von Liebstöckl vor sich aus. Dann legte er sich die Akte mit dem Fall Denecke noch dazu. Was hatte der Mord an dem Winzer mit dem Grab zu tun? Röder schloss die Augen und versuchte zu verstehen, was ihn an den Bildern so sehr störte. Er betrachtete die Satellitenaufnahmen. Ein grüner Traktor stand bewegungslos in einem Feld. Dann ein weiteres Foto. Zwei Traktoren. Einer, der den anderen offensichtlich abschleppte. Auf diesem Foto war erstmalig ein händisch gemalter roter Kreis zu sehen, der die Stelle umrahmte. Ein weiteres Foto. Offensichtlich vom nächsten Ãberflug. Ein roter Kreis. Daneben eine Gestalt, die mit einem Werkzeug, vielleicht einer Schaufel, hantierte. Das nächste Foto hatte wieder einen roten Kreis. Daneben eine handschriftliche Bemerkung, mit dem gleichen Stift geschrieben: »Steinplatten, behauen«. Dann noch eine Reihe von Fotos, alle ohne Kreis oder handschriftliche Notizen.
Die Fotos trugen alle das Datum fünfundzwanzigster und sechsundzwanzigster Oktober, danach gab es keine weiteren Fotos mehr. Denecke war am siebenundzwanzigsten unter die Räder gekommen. Das schrie förmlich nach einem kausalen Zusammenhang. Röder blätterte den Bericht durch. Dieser trug das Datum erster November. Unbedeutende Grabstätte. Keine Grabbeigaben, kein Fürst. Wahrscheinlich in antiker Zeit schon beraubt. Keine Hinweise auf organische Materialien, wegen extrem feuchtem Untergrund. »Besitzer wollen umbetten«, hatte Hoffmann notiert. Röder war kein Archäologe, aber irgendetwas war faul. Ein Anruf klingelte ihn aus seinen Gedanken.
»Benedikt, hier ist Gert. Komm mal bitte gleich vorbei.«
»Guten Morgen«, antwortete Röder ostentativ. »Meinst du jetzt gleich?«
»Nein, ich meine sofort«, sagte Röders Boss bestimmt und legte auf.
Mit einer Vorahnung machte sich Röder auf den Weg. Miltenberger musste es längst wissen, es ging gar nicht anders. Röder konnte nicht allen Ernstes erwarten, dass sein Boss nichts von dem Anschlag am Sonntag erfahren hatte. Seine bösen Erwartungen wurden noch übertroffen, als er das Büro betrat und sich mit einem ärgerlich gestikulierenden Chef konfrontiert sah.
»Bist du völlig wahnsinnig?« Miltenberger warf ihm die Ausgabe der Münchner Abendzeitung von Montag hin. Er hatte sich das Exemplar am Mannheimer Bahnhof besorgen lassen, nachdem er einen Tipp von Steiner bekommen hatte. »Was sagt denn deine Frau dazu?«
Röder blieb still, das ging Miltenberger gar nichts an. Dann erst sah er die Schlagzeile: »Playboy-Staatsanwalt in Doppelmord verwickelt?« Daneben prangte ein Bild mit der Unterschrift:
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