Weinstrassenmarathon
irgendwelche Andeutungen und war wieder weg.«
»Und dann?«
»Hat sie mich aufgeregt angerufen, und ich habe dich informiert.«
»Was hast du danach gemacht?«
»Ich bin zu ihr raufgefahren, aber sie war nicht da.«
»Sie war nicht da?«
»Sagte ich doch.«
»Wo ist sie denn hingefahren?«
»Sie sagte mir später, dass sie nach Speyer fahren wollte, um ihren Bruder zu schützen. Aber sie hat sich vor Aufregung verfahren, und als sie endlich die richtige Abfahrt fand, da waren alle ZufahrtsstraÃen wegen dem Polizeieinsatz gesperrt.«
»Wann hat sie dir das gesagt?«
»Sie hat mich von unterwegs angerufen, nachdem ich ihr schon ein paar Nachrichten hinterlassen hatte. Ich sagte ihr, ich würde zu ihr kommen, aber sie wollte zurückfahren, weil in Speyer nichts mehr ging.«
»Wann war das?«, wollte Röder wissen.
»So gegen zwölf, halb eins.«
»Und ihr habt euch noch getroffen?«
»Ja, ich habe vor ihrer Haustür gewartet. Sie war ganz fertig. Sie schickte mich nach Hause, meinte, sie müsse jetzt alleine sein.«
»Du hast also seit gestern keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt?«
»Nein, sie will sich melden. Ich verstehe das auch.«
»Hat sie sich gut mit ihrem Bruder verstanden?«
»Keine Ahnung, so lange kenne ich sie ja nicht. Aber es muss wohl so gewesen sein.«
Es wurde kühler auf der Terrasse, aber die wohltuende Wirkung der nächsten Schoppen glich die AuÃentemperatur mehr als aus. Röder ging es tatsächlich besser. Die beiden Freunde fingen wieder an, über alte Zeiten und das aktuelle Weinjahr zu schwatzen. SchlieÃlich sprachen sie nur noch über das bevorstehende Fest der hundert Weine, das schon seit Jahren eines der populärsten Weinfeste im Frühjahr war. Es startete immer am letzten Freitag im April und zog sich bis zum 1. Mai hin. Es war ein groÃes Weinfest, ganz Kallstadt, seine Bewohner und Besucher, waren für die Dauer des Festes im Ausnahmezustand. Eigentlich war die Weinkerwe das wichtigste Fest im pfälzischen Weinjahr, aber das Fest der hundert Weine hatte, zumindest in Kallstadt, die Kerwe im Herbst überholt. Stand ursprünglich die Probe der frisch abgefüllten Weine vom Vorjahr im Mittelpunkt, so hatte sich innerhalb der letzten zwanzig Jahre daraus eines der gröÃten pfälzischen Weinfeste überhaupt entwickelt. Turbulent ging es zu und nicht immer lustig. Machten in den frühen neunziger Jahren Skinhead-Horden und Hooligans Randale, so waren in den letzten Jahren die jugendlichen Komasäufer zum Problem geworden. Gemütlich ging es aber immer noch in den Winzerhöfen zu, während auf der StraÃe der Punk abging. Hellinger würde auch in diesem Jahr sein Weingut öffnen und natürlich bei der Verkostung der hundert Weine in der Festhalle dabei sein. Hellingers Ãkoweine waren in Fachkreisen nicht nur wegen der hohen Qualität gefragt, sie stellten auch so etwas wie das Gewissen jener Winzer dar, die nach wie vor jede Giftbrühe spritzten, die irgendwie erhältlich war. Teilweise besorgten sie sich die Gifte sogar aus dem Ausland, weil sie hierzulande längst verboten waren, und brüsteten sich damit hinter vorgehaltener Hand. Hellinger kannte Kollegen, die ihren eigenen Wein nicht tranken, weil sie behaupteten: »Des Zeich drink isch nett, isch weeà jo, was drin is.«
Röder wollte wissen, wie Hellinger dieses Jahr den Ausschank schmeiÃen wollte, wenn Katrin nicht da wäre. Der Winzer wurde still. An Helfern mangelte es ihm nicht, auch wenn er gern Röders älteste Tochter engagiert hätte, was bisher an Manus Veto gescheitert war.
Sie hatten schon einige Schoppen gebechert, als Hellinger sentimental wurde, weil er von Katrin und seinem kleinen Sohn anfing, der gerade das Laufen gelernt hatte.
»Ich rufe sie für dich an«, versprach Röder, als er vernünftigerweise in ein Taxi stieg. Hellinger winkte resigniert ab.
Als Röder vor seiner Haustür vom Taxifahrer abgeladen wurde, stürzte Marie-Claire herbei und redete aufgeregt auf ihren Vater ein, der aufgrund des erheblichen Promillepegels nur schwer folgen konnte.
»Du musst Raphael unbedingt anrufen, er hat wichtige Informationen. So wichtig, dass er sie noch nicht einmal mir sagen will.«
»Will er um deine Hand anhalten?« Röder musste sich am Kühlschrank abstützen. »Ich rufe ihn morgen
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