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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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weiter?«
    »Feneberg.« KK und FK sahen so stolz aus, als hätte ihnen
jemand gerade eben doch den Nobelpreis verliehen, und der Reporter wandte sich
ganz schnell von den beiden ab.
    »Wir wollten natürlich wissen, wer war Adi Feneberg, und wir stehen
genau vor seinem Haus.« Die Kamera fing ein ziemlich gewöhnliches Haus ein, ein
Haus, wie es Leute bauen, die gut situiert sind, aber nicht reich. Der Reporter
begann, um das Haus zu stapfen und dabei entfaltete der Bau seinen ganzen
Charme. Die Häuser in der Kirchbühlstraße blickten weit übers Illertal und
hinein in die Allgäuer Alpen. Die Kamera zoomte die Berge heran, und der
Reporter sagte mit staatstragender Stimme: »Und hier, hier soll so etwas
Grauenvolles passiert sein!« Angesichts der Herumstiefelei dachte Gerhard an
Hausfriedensbruch.
    Als der Reporter die Runde beendet hatte, stand er wieder vor der
Gartentür.
    »Frau Feneberg ist leider nicht anzutreffen, aber hier haben wir
eine Nachbarin der Fenebergs, die tief betroffen ist.«
    Eine Frau in Leggings und langer Wolljacke kam ins Bild. Die Kamera
schwenkte in die Straße, das Gästehaus war zu sehen. Dann fing die Kamera
wieder die Frau ein.
    Sie stammelte: »Dr Adi war a kreizguata Ma.« Sie begann zu
schluchzen.
    »Und wer könnte dem Herrn Feneberg denn nach dem Leben getrachtet
haben?«, fragte der Reporter.
    »Kuiner, kuiner duat so eabbas.«
    Die Untertitel liefen weiter mit.
    »Mehr vom bestialischen Funkenmord im Hexenkessel Allgäu morgen«,
schmetterte der Reporter und gab zurück ins Studio, wo das Blondie flüsterte:
»Ist das nicht furchtbar?« Cut – und Werbung. Tchibo kündigte eine neue Welt
an, jede Woche neu.
    Erbärmlich! Es war so erbärmlich! Kaum hatte Gerhard weitergezappt,
läutete das Telefon. Es war der Staatsanwalt, der seine Wut nur mühsam
unterdrücken konnte.
    »Da werden wir uns morgen bei der Pressekonferenz sehr bedeckt
halten müssen, sehr! Und warm anziehen.«
    »Keine Sorge, mit diesem Pack, werde ich fertig«, sagte Gerhard
kämpferisch.
    »Sie wissen ja, Herr Weinzirl: Wo ein Trog ist, da sammeln sich die
Säue!«, rief der Staatsanwalt.
    Gerhard musste grinsen. Ein wunderbarer Satz, der es auf den Punkt
brachte.
    »Oh ja, und morgen werden verdammt viele Säue da sein!«

4.
    Nachdem er in der Nacht von wirren Träumen gebeutelt worden war,
erwachte Gerhard schweißgebadet um sechs und beschloss, sich die Wut von der
Seele zu joggen. Egal, ob es noch dunkel war. Nach einer Stunde an der Iller
war ihm wohler. Er trabte in die Bäckerstraße, schüttete beim »Wipper« nicht
weniger als vier Tassen schwarzen Kaffee in sich hinein und gönnte sich einen
Florentiner, der jetzt zwischen seinen Zähnen klebte. So etwas aß er sonst nie,
aber Süßes half, laut Jo, Schlachten zu schlagen. Und Schlachten standen an –
an mehreren Fronten. Ob Jo den Fernsehbeitrag gesehen hatte?
    Gerhard war durch einen Hintereingang kurz nach acht ins Präsidium
gekommen. Für zehn Uhr war die Pressekonferenz anberaumt, das Gebäude erschien
aber jetzt schon wie belagert. Der Parkplatz war voller Autos, überall hatten
sich Kamerateams aufgebaut.
    Gerhard nahm sich zunächst den Obduktionsbericht vor, und was er da
las, gefiel ihm nicht, gefiel ihm gar nicht! Der Staatsanwalt kam herein,
stellte Gerhard einen Becher mit Kaffee vor die Nase und sank auf einen Stuhl,
der bedenklich schwankte.
    »Sie haben den Bericht gelesen?«, fragte er.
    »Ja, und das trägt überhaupt nicht dazu bei, meine Laune zu heben.
Ich hätte mir eine saubere Schussverletzung gewünscht. Oder vielleicht
Würgemale, irgendwas in der Art. Aber das?«, stöhnte Gerhard.
    »Ja, das hätte ich mir auch gewünscht! Ich wollte nur noch mal Ihr
d’accord einholen: kein Wort an die Presse«, mahnte der Staatsanwalt.
    Gerhard grunzte unwillig. »Ich rede nicht mit Hyänen. Und wie Sie ja
wissen: Wer Aas frisst, soll auch Abfall bekommen.«
    Als sie den Konferenzraum durch eine Seitentür betraten, befanden
sie sich mitten in einem Inferno. Kamerateams hatten ihr Equipment
rücksichtslos vor dem Podium aufgebaut, Gerhard stolperte über ein Kabel. Er
blickte in eine Armada von Kameraaugen. Mikros waren installiert, bunte
Ballons, die ihn aggressiv bedrängten. Die Lokaljournalisten wie Marcel oder
der reizende kleine Mann vom Kreisboten waren Treibgut in der Masse der
Kollegen, wurden abgetrieben und irgendwo an eine Wand gequetscht.
    Der ermittelnde Staatsanwalt, der Pressesprecher und Gerhard saßen
noch nicht

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