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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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weder an Martl, Marcel oder Jens erinnert werden. Und ganz
Unrecht hatte Jo nicht, als sie sich verteidigt hatte. Sie ertrank wirklich in
Arbeit. Der Nachbericht der Pressereise war zu schreiben. Stammgäste mussten
persönlich angerufen und beruhigt werden. Der Berg der Stornos und Panikbriefe
und der E-Mails wurde immer höher. Ohne Patti war das Titanenarbeit und würde
sich in die Nacht hineinziehen. Viele der Gäste würden erst am Abend erreichbar
sein. Jo rief im »Lotus« an und bestellte eine Pekingsuppe und ein Gemüsegericht
aus dem Thai-Wok. Gut, dass es in Immenstadt das »Lotus« gab. Das würde die
lange Nacht der geschliffenen Rede und Überredungskünste erträglicher machen.
    Gerhard war nach einem frustrierenden Arbeitstag nach Hause gefahren
und fläzte sich vor den Fernseher. Die Fensterläden klapperten. Der Wind
drückte vom Dach her durch den Kamin in den dänischen Bullerofen. Ein
merkwürdiges Stöhnen entfuhr dem Ofen von Zeit zu Zeit. Es klang wie ein
Schlossgespenst, das um Erlösung fleht. Voll düsterer Vorahnungen hatte Gerhard
den Fernseher eingeschaltet, und noch vor einem Werbeblock kündigte eine
Blondine mit Flüsterstimme den Top-Act des Tages an: eine grausam entstellte
Leiche in einem Holzhaufen, auf dem die Allgäuer noch heute Hexen verbrennen.
Cut – und Werbung.
    Gerhard gab seine Lümmelposition auf dem Bett, das ihm auch als
Couch, Kleiderablage und Esstisch diente, abrupt auf und rutschte auf die
Kante. Er neigte nicht zu Gewalttätigkeiten, aber in diesem Moment hätte er
gern mit einer Armbrust um sich geschossen. »Grausam entstellt in einem
Holzhaufen, auf dem die Allgäuer noch heute Hexen verbrennen.« Die Leiche war
völlig intakt gewesen, und dann noch offen auf Hexenverbrennung hinzudeuten! –
so was war doch kriminell!
    Nach der Werbung, von der ihm vor allem ein Spot über einen neuen
Wellness-Joghurt mit irgendwelchen sich drehenden und trudelnden Säuren und
Enzymen in Erinnerung geblieben war, blickte er in die Visage eines schick
geföhnten Jünglings. Der Typ lächelte ihm aus dem Fernseher zu, sein modischer
Fön-Haarschnitt wippte nur leicht, obgleich rundum das Föhn-Inferno tobte. Er
gab sich die Attitüde von äußerster Besorgnis, als die Kamera auf die Kirche
von Eckarts schwenkte, hinein in die Allgäuer Alpen und dann auf den halb
abgebrannten Funken. Er begann, einigermaßen seriös, das musste Gerhard
zugeben, den Brauch des Funkens zu erläutern.
    Neben ihm standen zwei Männer. Der Kiechle Bauer und sein Sohn, FK und KK genannt, die auf einem Einzelhof kurz vor Adelharz lebten. Der Alte war jemand,
der die Schindeln an seinem Hof noch selbst anfertigte und sofort eine defekte
ersetzte. Die beiden Männer stellten ein mahnendes Beispiel dafür dar, dass
fünfhundert Jahre bäuerlicher Inzucht nicht fehl gegangen waren. Beide sahen so
aus, dass das Allgäuer Wort »leicht preschthaft« zutraf. Sie waren nicht gerade
nobelpreisverdächtig schlau. Aber sie besaßen viel Geschick bei der Aufzucht
des Jungviehs, konnten Warzen wegbeten und Wasseradern aufspüren, und sie waren
absolut harmlos. Der Sohn war ohne Mutter aufgewachsen und über diesen jungen
Kiechle hatte Gerhards Mutter mal den legendären Satz gesagt: »Der Bua isch
aufgwachsa wie a Schumpa. In dr Fria hot man austrieba, am Obend reigholt. Mehr
Erziehung hots it geaba.« Und diese beiden standen nun mit ebenso verwirrten
Haarschöpfen wie Gesichtern vor der Kamera.
    »Herr Klaus Kiechle«, der Reporter wandte sich an den Jüngeren, »Sie
waren gestern bei der Feuerwehr dabei, als der Tote aus dem Funken gezogen
wurde. Und Sie wissen, wer das war!«
    KK starrte in die
Kamera wie ein Jungrind, das vom Blitz überrascht wird.
    »Ja, den hon i kennt«, stieß er hervor und FK sah stolz zu ihm hinüber. So viel redete sein Sohn sonst
nie am Stück. Der Reporter hatte ein kurzes Panik-Flackern in den Augen.
Gerhard musste grinsen.
    »Herr Franz Kiechle, wie Ihr Sohn wissen auch Sie, wer der arme Mann
war?« FK nickte.
    »Den Namen wüssten wir gerne, das muss doch furchtbar für Sie
gewesen sein«, versuchte es der Reporter erneut.
    »Na, fir is war des it furchtbar, aber fir dean!«, sagte FK . Jetzt musste Gerhard laut
herauslachen, vor allem, als eine hochdeutsche Unterzeile eingeblendet wurde.
    »Ja, richtig, für diesen bedauernswerten Toten, der wie hieß?« Der
Reporter verlor zusehends an Fassung.
    »Ah so, dr Name? Des isch dr Adi gwea«, sagte FK sehr langsam.
    »Der Adi und

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