Weinzirl 02 - Funkensonntag
gedrückter Stimmung.
»Wer so wenig Feinde hat, der ist ja nicht aus dieser Welt.« Sie
schüttelte genervt den Kopf.
»Ich habe gerade noch mal die Protokolle der Funkenwache-Vernehmung
gelesen«, sagte Gerhard, »ob ich was übersehen habe. Aber da ist null. Die
Jungs sind wie die drei Affen, du weißt schon! Außer, dass mich dieser Quirin
ziemlich genervt hat, auch da kein Ergebnis.«
Gerhard las Evi vorsichtshalber die Protokolle vor, und sie nickte.
»Ich sag dir dazu gleich was.«
Fünfzehn Minuten später kam sie herein und hatte zumindest ein
dünnes Lächeln auf den Lippen.
»Dieser ›Verderben‹-Satz ist von Paul Celan.«
»Und? Wer ist Paul Celan?«, fragte Gerhard ungeduldig.
»Ein Dichter, oder besser ein Lyriker.«
»Und was will mir dieser verquaste Blödsinn sagen?«, schimpfte
Gerhard, der Gedichtinterpretationen schon im Deutschunterricht gehasst hatte.
»Da musst du Herrn Celan fragen. Aber der ist tot.« Evi grinste und
fuhr fort: »Aber ich kann dir sagen, dass Quirin im Schultheater sehr engagiert
ist. Und dann ist da auch noch eine Sandra dabei. Quirin ist mit ihr
befreundet. Und diese Sandra ist wiederum die Reitbeteiligung von deiner
Johanna Kennerknecht. Das heißt, sie reitet bei deiner Frau Doktor. Vielleicht
kannst du da was draus machen?«
Gerhard sah sie überrascht an. »Wie hast du das denn rausgefunden,
Bella?«
Evi lächelte. »Die Erklärung dauert länger als die Suche. Nicht alle
Menschen haben ein so gestörtes Verhältnis zu Computern wie du.«
Und schon war sie weg! Evi war gut, eine richtig gute Arbeiterin.
Eigentlich sah sie mit ihrer feingliedrigen Gestalt und den naturblonden
halblangen Haaren auch sehr hübsch aus, dachte Gerhard und grinste. Aber an
dieser resoluten jungen Dame sollten sich andere die Zähne ausbeißen. Er dachte
über den Theater-Quirin nach. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Das war so
einer, der wahrscheinlich auch in Strumpfhosen wie ein Storch Ballett tanzte.
Schwanensee oder so! Aber Gerhard hatte eine Idee, diese Sandra betreffend.
5.
Jo war erst um zwei Uhr ins Bett gekommen. Sie hatte mit
Engelszungen geredet und mindestens fünfundzwanzig Übernachtungen gerettet. Die
Leute waren zumeist recht nett gewesen, und unisono hatten sie erklärt: »Aber
das kam im Fernsehen ganz anders rüber.« Oh ja, Jo hätte den Investigator,
Mister TE VAU und alle anderen Fernsehleute am liebsten nachträglich
in die Hölle verfrachtet. Oder in den Funken. Als ihr Handy um elf Uhr am
Mittwochmorgen läutete, saß sie zu Hause vor einem Cappuccino.
Es war Gerhard.
»Hast du Zeit? Ich lade dich zum Mittagessen ein. Ins Burgcafé. Ich
hoffe, da treffen wir keine Medienleute.«
»Gute Idee, ich hoffe wir treffen da auch keine lokalen Touristiker.
Und keine Gäste. Überhaupt niemanden. Ich hasse Bürgermeister, Hoteliers und
Touristen! Bis dann, ich sehe dich dort.« Jo war froh über eine Ablenkung.
Als sie losfuhr, waren die Berge, die der Föhn so nahe und so
markant gezeichnet hatte, längst von ihr abgerückt. Der Föhn hatte nämlich
aufgegeben, dunkle Wolken überschoben sich gegenseitig, ab und zu fiel ein
merkwürdig zu einem Dreieck aufgefasertes Licht in dünnen Strahlen in den
Niedersonfhofner See. Es sah aus, als würde ein Ufo landen. Es war kälter
geworden. Als Jo die kurze Stichstraße zum Burgcafé hinauffuhr, war ihr auf
einmal heiterer zumute. Solange es noch solche Plätze gab, war noch nicht alles
verloren. Die kleine Burgruine klebte am Hang, das Café kauerte darunter, in
der Luft hingen alle Gerüche der Landwirtschaft und ein verführerischer Duft
von Röstzwiebeln.
Gerhard war schon da, und auch er sah nicht sonderlich gesund aus.
Sie bestellten beide Kässpatzen mit extra viel Zwiebeln. Kohlehydrate für
gepeinigte Seelen.
»Spätzle machen schließlich glücklich«, sagte Jo mit einem Lächeln.
Gerhard hatte einen Packen Zeitungen dabei, und ganze Dritte Seiten,
Brennpunkte, Themen der Woche waren Adi Feneberg gewidmet. Nach der
österreichischen Kronenzeitung hatten nun auch andere über schwarze Messen und
Okkultismus spekuliert. So was verkaufte sich! In der Allgäuer Zeitung und der SZ waren jede Menge Menschen aus Adis
Umfeld zu Wort gekommen. Nur seine Frau nicht. Die war auf Anraten von Gerhard
in der Berliner Versenkung geblieben. Aber alle Interviewpartner verwiesen auf
Adis hervorragenden und hilfsbereiten Charakter.
Jo schüttelte ungläubig den Kopf. »Der Mann geht mir langsam auf die
Nerven. Alle
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