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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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nicht glauben. Wir sind halt die Altlasten.« Sie zuckte
zusammen. »Adi wohl nicht mehr! Himmel, der Arme! Also wir zwei
Übriggebliebenen müssen halt die Jahre zur Rente noch voll machen. Vielleicht
sind wir ja wirklich altmodisch und ein Klotz am Bein, aber ich bin zu müde, um
mich noch begeistert in neue Abenteuer zu stürzen. Ich bin seit vierzig Jahren
bei der Firma, vierzig Jahre, stellen sie sich das mal vor, seit 1963! Da war
ich zwanzig Jahre jung. Der Senior hat mich damals beim Hotel Büttner
abgeworben. Das war ein kleiner Skandal, und meine Eltern waren entsetzt, dass
ich so eine gute Anstellung für einen Brauerei-Hallodri aufgegeben hatte.
Wissen Sie, Staufen, das war damals ein verschlafener Ort, das Büttner das
erste richtige Schroth-Kurhotel. Da fing die Abnehm-Hysterie gerade so an.
Alles war in Staufen im Aufbruch, und von der Mondänität heutiger Tage war
nichts zu spüren. Auch die Brauerei war erst im Aufbau.« Sie lächelte wehmütig.
    »Aber ich dachte, sie wäre 1890 gegründet worden? So steht es doch
auf den Flaschenetiketten«, fragte Gerhard und verdrehte beim letzten Bissen
Schwarzwälder verzückt die Augen.
    »Ja, gegründet vom Urgroßvater der heutigen Generation. Aber der
Vaters meines Chefs, also der Großvater vom Junior, kam erst 1951 aus der
Kriegsgefangenschaft wieder und ist nie mehr richtig auf die Füße gekommen. Der
Betrieb dümpelte unter einem Geschäftsführer dahin, und 1963 hat der Großvater
übergeben. Der Senior, der war auch erst zwanzig, mein Jahrgang – sie müssen
sich vorstellen, was das für ein Abenteuer für uns junge Leute war. Und was die
Alten dazu gesagt haben. Und als er dann den Adi eingestellt hat, einen
zwanzigjährigen Hänfling in kurzen Lederhosen! Die ›Kinderbrauerei‹ haben sie
uns genannt.« Sie lächelte wieder dieses feine und ein wenig melancholische
Lächeln.
    Gerhard hatte inzwischen einen zweiten Kaffee bestellt. »Verzeihen
Sie mir die Frage. Aber waren Sie in den Chef verliebt?«
    Nun verstärkte sich ihr Lächeln, wurde zu einem Strahlen.
»Natürlich, aber er war so verliebt in seine Bärbel, dass ich nie eine Chance
hatte. Und letztlich waren wir alle verliebt in die Idee, Großes zu leisten. Es
allen zu zeigen. Und das hat uns zusammengeschmiedet. Als wir die erste DLG -Auszeichnung für das Helle bekommen
haben, war das auch so was, wie verliebt zu sein. Ich kann mich an meine
Euphorie noch gut erinnern.«
    »Das heißt, ich muss Sie auch nicht fragen, ob Sie in Adi verliebt
waren?« Gerhard schenkte ihr einen wohlwollenden Blick.
    »Verliebt? Und sehr spät habe ich ihn dann wegen dieser unerfüllten
Liebe umgebracht? Herr Weinzirl, wenn Sie nicht meine Schokosucht derart
charmant teilen würden, wäre ich jetzt fast beleidigt. Nein, den Adi habe ich nicht
umgebracht und verliebt war ich in ihn nie. Er war, er war …« Sie überlegte
intensiv.
    »Nicht Ihr Typ?«, fragte Gerhard.
    »Das auch, rein optisch meine ich. Er war so ein sehniger schmaler
Bergfex, ich stand immer mehr auf Männer, die aussehen wie Balu der Bär.« Sie
wurde ein wenig rot, als sie weitersprach. »Nein, Adi war mir zu perfekt, zu
glatt. Er war unheimlich nett, ein wunderbarer Kollege, aber seine fast schon
pastorale Art lag mir nicht. Seine Lieblingssätze waren: ›Es gibt für alles eine
Lösung. Jeder ist seines Glückes Schmied.‹. Aber das stimmt nicht, hat nie
gestimmt und wird nie stimmen. Für mich gab es beispielsweise keine Lösung,
denn da war Bärbel.«
    »Das mit der Lösung habe ich auch schon öfter gehört. Auch die
Geschichte vom perfekten Adi. Sie meinen also, er war doch nicht so perfekt?«
    Frau Endrass rang nach Worten. »Das ist jetzt wirklich schwer zu
formulieren. Er war perfekt, und genau das war das Problem. Sie wissen schon,
eine Moral, fest gezimmert in der Erden. Er hatte diese Geradlinigkeit, sein
eigenes klares Weltbild. Für ihn hat das gepasst, aber ich kann mir gut
vorstellen, dass er gerade junge Leute, die um ein Weltbild ringen, die
straucheln und scheitern, genervt hat. Und bei Frauen kam er auch nicht
sonderlich gut an.« Sie lachte. »Nehmen Sie mir das nicht übel, Sie sind ja
auch bloß ein Mann. Aber Frauen haben mehr Gespür für Grautöne, können, ja
müssen immer mehrere Dinge gleichzeitig planen und ausführen. Männer sind
einfacher. Männer fanden den Adi immer vorbildhaft – klar, markig, männlich,
moralisch.«
    »Aber dann liegen Sie und der Junior doch gar nicht so weit
auseinander, was

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