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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Adi betrifft. Denn der, obgleich ein Mann, mag oder mochte
seine salbungsvolle Art ja auch nicht«, meinte Gerhard lächelnd.
    »Ja, aber ich zähle nicht. Ich bin auch Erbmasse vom Vater. Ich habe
jeden Tag gern gearbeitet, auch wenn’s drunter und drüber gegangen ist. Seit
der Junior da ist, macht es keinen Spaß mehr.«
    Gerhard nickte ihr verständnisvoll zu. »Neue Besen kehren gut,
oder?«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch. Er ist nicht unrecht, der Junior,
und er will, er muss aus dem Schatten seines Vaters heraustreten – und sei es
mit Hanfbier. Aber er hat einfach eine ungute Art. Er bezieht uns Mitarbeiter
nicht in Entscheidungsprozesse ein. Und er ist ungeduldig. Der Senior hat so
was wohl geahnt. Endressle hat er immer gesagt, Endressle, der Bua der macht
mir den Betrieb hi. Komischerweise war er darüber gar nicht so sehr betroffen.
Und kurz bevor er gestorben ist, das war im 99er Jahr, da saß er mal im Büro –
todkrank damals schon – und war so richtig aufgeräumt. Endressle hat er gesagt,
jetzt hob i mit em Adi en Kup glandet.«
    »Einen Kup?«, fragte Gerhard mit Unverständnis in der Stimme.
    »Ja, er meinte einen Coup. Er war richtig verschmitzt. Na ja, ich
sage Ihnen das jetzt einfach mal so: Ich glaube, er war auf dem Grundbuchamt.«
    »Wie kommen Sie darauf? Hat er Ihnen etwas darüber erzählt?«
    »Nein, aber er hat ein Papier angezündet, und das verglomm langsam
im Papierkorb. Ich konnte die Kopfzeilen noch lesen. Und gegrinst hat er. Wenn
ich das in den Safe lege, findet er es zu früh, hat er gesagt und weiter
gegrinst.«
    Gerhard schüttelte den Kopf. »Merkwürdig, aber ein guter Tipp.« Er
bedankte sich überschwänglich bei Frau Endrass, beglich unter ihrem Protest die
Rechnung und half ihr in den Mantel.
    »Danke für den reizenden Nachmittag«, sagte sie und lächelte in
einer Art, die Gerhard sagte, dass sie mal eine echte Schönheit gewesen sein
musste. Na, diese Bärbel vom Senior musste ja ein Superweib gewesen sein, dass
der seine Sekretärin nie als Frau wahrgenommen hatte, dachte Gerhard. Er
begleitete Frau Endrass noch zu ihrem Auto, und sie fuhr winkend davon.
    Gerhard schlenderte gemächlich durch Oberstaufen. Schmuck war es
geworden – und teuer. Da die Schrothkurgäste schon nichts essen durften,
suchten sie Befriedigung im Shopping. Die Preise hatten Münchener
Theatinerstraßen-Niveau. Ein genügsamer Typ wie er war erschüttert, vor allem,
als er in einem Schuhgeschäft keinen Schuh unter zweihundertfünfzig Euro entdecken
konnte. Auf diesen Schock beschloss Gerhard, erst mal ein Weißbier zu trinken,
nebenan in der Alt-Staufner-Einkehr. Das war halt eine Wirtschaft, die aussah
wie eine Allgäuer Wirtschaft aussehen musste und Essen hatte, das ebenso
opulent wie preislich vernünftig war.
    Gerhard bestellte eine Schweinshaxe. Vom Nachbartisch schauten
einige Touristen verschämt zu ihm herüber. Auch sie hatten Schweinshaxen
gehabt. Das waren eindeutig Schrothkur-Brecher! Ich bin zwar Kriminaler, aber
nicht euer Kurarzt, dachte Gerhard und schmunzelte.
    Er genoss das wohlgeformte Schweinebein, die perfekt gebratene
Kruste und war diesem Haggenmüller fast dankbar dafür, dass er seinetwegen mal
wieder nach Oberstaufen gekommen war. Früher, als seine Oma noch im Kapfweg
gelebt hatte, war er öfter hier gewesen. Die Oma, die einfach die besten
Krautwickel aller Zeiten gemacht hatte! Melancholie überfiel ihn. Er zahlte und
schüttelte den Vergangenheits-Blues ab. Morgen würde er mal hinter die Kulissen
der Brauerei blicken und den »Kup« aufdecken.
    Schließlich nahm er sich ein Taxi und machte einen Taxifahrer
glücklich, der ihn bis nach Kempten zum Waisentor fuhr. Den Rest ging er zu
Fuß, durch die Gassen unter der Burghalde, jener überaus charmanten
Altstadtlage. Direkt am Abhang hatte er ein »Appartement mit Dachterrasse.« In
Wirklichkeit war es ein Zimmer mit Küche am Gang und einer Kiesfläche über
einer Garage.
    Die Kiesfläche ging hangseitig in geflieste Stufen über, die er gern
seine »Hängenden Gärten« nannte. Das Problem war nur, dass die Versuche, hier
im Sommer Pflanzentöpfe aufzustellen, von wenig Erfolg gekrönt waren. Oder
besser: Die Töpfe standen schon da, allein die Blumen waren in kürzester Zeit
dürre Stecken.
    Diese Wohnung hatte er seit Unzeiten, seit den Zeiten, als das Festival
auf der Burghalde noch eine echte Session gewesen war. Zu einer Zeit, als die
Burghalden-Konzerte sowieso das einzige Angebot für junge Leute

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