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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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nun in vierter Generation in der Hand der Familie Haggenmüller.
Die Gebäude waren alt, aber sie sahen so aus, als hätte man sie beständig
renoviert. An einem Lkw war ein älterer Mann gerade dabei, die Plane
festzuzurren.
    »Herr Guggemoos?«, fragte Gerhard.
    Sepp drehte sich um. »So, so, dr Gerhard vom Weinzirl dienet. So.«
Aus blauen Augen sah er Gerhard abwartend an.
    »Ja, i bi dr Gerhard, griaß di nochhert. Das ist Evi, meine
Mitarbeiterin«, stellte er Evi Straßgütl vor.
    »So a junge Föhl und scho bei de Kriminaler! Bleibet dir do standa,
oder ganget mir nei?« Galant öffnete Sepp die Tür. Evi schien über die ganze
Duzerei leicht irritiert zu sein, aber Gerhard raute ihr zu: »Besser so.«
    Sie setzten sich ins Brotzeitstüble, wo einige Brösel auf den
Resopaltischen herumlungerten. Auf der Küchenzeile standen gebrauchte
Biergläser, ein Kreuz zierte die Wand und natürlich die Werbeposter von Hündle
Bräu: Bierig, bergig, bärig.
    »Was trinket dir?«, fragte Adi. »Wia isch des mit deam ›I bin im
Dienscht‹. Sagsch des jetzt so wia dr Derrick?«
    Gerhard lachte. »Nein, keine Sorge! Was hältst du von einem Russ?
Das ist vertretbar, oder Evi, cara Bella?« Gerhard bedachte Evi gerne mit
italienischen Koseworten. Das war ein Spiel zwischen den beiden, weil Evi seit
Monaten eigentlich Italienisch lernen wollte, aber wegen ihrer Dienstzeiten
dauernd den Volkshochschulkurs verpasste.
    »Für mich ein Spezi, aber meinen Segen für das Russ habt ihr.« Evi
lächelte. Na, das ging doch mit dem Duzen.
    »Bisch a brave Föhl!«, meinte der Sepp und schenkte ein.
    »Sepp, du weißt, warum ich hier bin?«, begann Gerhard, nachdem er
einen gehörigen Zug von seiner Russenhalbe genommen hatte.
    »Woll!«
    Und ohne weitere Aufforderung erzählte Sepp von einem Spätnachmittag
am Mittwoch vor dem Funkenmord. Vom Gebrüll, dass der Adi keine solche
»Pissbria« machen würde, vom angedrohten Rauschmiss und davon, dass der Adi
gesagt habe, dass der Chef noch eine arge Überraschung »verläbt«, und dass es
längst eine Lösung gäbe.
    Eine Überraschung »verläbte« der Chef, als Gerhard und Evi in sein
Büro stiefelten. Das Büro von Frau Endrass war in dunklem Holz gehalten, das
Besprechungszimmer nebenan, zu dem die Tür offen stand, ebenfalls. Die dunkle
Täfelung sah aus wie in einem Bahnhof zu Zeiten der »Lokalbahn« von Ludwig
Thoma. Alles war ein wenig vernachlässigt, aber nur in dem Maß, dass es die
Historie untermalte. Auf den Gängen wucherten Pflanzen vor halb hoher Täfelung,
das Licht war milde. Als Gerhard die Tür zum Chef-Büro aufriss, hatte er
sekundenlang das Gefühl, mitten in den Dreh zu einem Werbefilm
hineinzustolpern. Es war gleißend hell. Der Raum war riesig und komplett weiß
gestrichen. Leuchtobjekte bestrahlten einen glänzend anthrazitfarbenen Roll-Aktenschrank
und eine schneeweiße Ledercouch, vor der auf einem Granittisch ein Vasenobjekt
mit einer Lilie stand, daneben lagen einige Kataloge. Mitten im Raum schwebte
ein Schreibtisch aus Glas und Chrom über dem Boden, ja er schien tatsächlich
keine Bodenhaftung zu haben.
    Genau wie der jüngste Spross der Brauerdynastie. Ludwig Haggenmüller
war in den Dreißigern und passte mit seinem Outfit zu einer Bierbrauerei wie
ein Love-Parade-Anhänger zu einer Trachtengruppe. Er trug ein gecrashtes
Batikhemd – ziemlich luftig für diese Jahreszeit – zu einer schwarzen Jeans in
Dirtwash-Optik. Sein Haar war auf etwa zwei Millimeter gekürzt. Er war nicht
sonderlich groß, dafür leicht untersetzt und hatte typische Wohlstandsbäckchen.
    »Platzen Sie immer so herein?«, rief er statt einer Begrüßung. Seine
Stimme war überraschend angenehm. Eine Frauen-Einlull-Stimme, dachte Gerhard
und sah zu Evi hinüber. Die zeigte aber keine Regung.
    »Grüß Gott, ja verzeihen Sie den Überfall, aber wir ermitteln in
einem Mordfall.« Gerhard hatte wieder den entwaffnenden Bauerndeppen-Blick
aufgesetzt.
    Und wirklich, der junge Haggenmüller wurde sanfter.
    »Ja, sicher, der arme Herr Feneberg. Unser bester Mann! Aber ich
habe bereits alles ausgesagt, was ich weiß. Ich hatte schon das Vergnügen mit
ihrer Mitarbeiterin.« Er glotzte anzüglich in Evis Richtung.
    Gerhard behielt seine eher gelangweilte Tonlage bei. »Seltsam, dass
Sie mit Ihrem besten Mann am Mittwoch letzter Woche ziemlichen Streit hatten,
weil er eine ›Pissbria‹ nicht brauen wollte.«
    Haggenmüller riss die Augen auf, seine Wangen wurden rot.
»Firmentratsch,

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