Weinzirl 02 - Funkensonntag
geführt hatte. Sie seufzte. Nicht mal an
einem so schönen Tag ließ der Job sie los, und einmal mehr überdachte sie die
verführerische Aussicht auf eine Stelle bei der AOK für die Buchstaben H-L . Oder als
Schuhverkäuferin bei Deichmann!
»Was schaust du so schmerzgepeinigt? Hat dich der Vergleich mit Frau
Kostelic so frustriert?«, fragte Gerhard oben am Ausstieg, »obgleich deine
Zöpfchen dich natürlich Jahre jünger machen. Nicht ganz so jung wie Janica vielleicht.«
»Schweig, Alter! Vergiss kroatische Höllenfahrerinnen. Ich denke
schon wieder an meine persönliche Job-Hölle. Und an die Funkenleiche. Niemand
versteckt eine Leiche in einem Funkenfeuer.«
Gerhard nickte und wurde von der Bedienung abgelenkt. Er bestellte
ein Postwirts Dunkel, Jo einen Kaffee, und beide schauten sie minutenlang in
die Berge. Im Tal waberte noch Nebel, der markante Aggenstein reckte sich aber
bereits in den Himmel.
»Ich verstehe das auch nicht. Wir bewegen uns im Kreis. Ich war mir
fast sicher, dass der Haggenmüller es war. Bleibt nur dieses winzige Detail mit
dem Rohypnol. Ich kann es nicht beweisen, aber mein Gefühl sagt mir, dass der
Mörder wollte, dass Adi aufwacht. Von der Krankheit hat nicht mal seine Frau
gewusst. Er sollte also rauskommen oder auch gefunden werden. Aber dann wäre
das gar kein Mörder gewesen. Und noch eins: Warum hätte Haggenmüller wollen
können, dass Adi aufwacht?«, dachte Gerhard laut nach.
»Aber vielleicht war er einfach zu dämlich. Vielleicht wusste er
nichts über die Wirkweise des Medikaments. Vielleicht dachte er, es würde
töten. Spiel diese Variante durch: Er tötet ihn am frühen Morgen, wirft ihn in
den Funken und verzupft sich«, meinte Jo.
»Okay, lass das als Hypothese mal stehen. Es bleiben jede Menge Abers:
Der Funken wurde von den Kifferjungs bewacht. Die waren immerhin da, wenn auch
benebelt. Da müsste der Haggenmüller aber schon sehr verwegen gewesen sein,
eine Leiche rumzuzerren. Und wieso ausgerechnet der Funken? Gut, Adi hat nicht
weit entfernt gewohnt, aber das ist doch kein Versteck. Selbst wenn er
verbrannt wäre, dann wären Knochen übrig geblieben. Das weiß heute doch jeder
aus ›Tatort‹, ›Polizeiruf‹ oder ›Wolffs Revier‹, dass keiner komplett in Rauch
aufgeht. Heute reichen Hautpartikel, um per DNA -Analyse
den Restmenschen zu identifizieren«, ließ Gerhard seine Gedanken weiter
kreisen.
»Restmensch! Deine Ausdrucksweise wird auch immer
menschenverachtender. Vielleicht ist der Haggenmüller einfach panisch
geworden.« Jos Feststellung klang mehr wie eine Frage.
Gerhard schüttelte genervt den Kopf, trank einen tiefen Schluck Bier
und suchte Trost in einem Blick in die Berge, wo sich der Nebel immer weiter
nach unten in die Täler verdrückte.
Jo sinnierte weiter. »Aber gut, du hast irgendwie Recht. Unsere
Freunde aus dem Schwabenland würden sagen: Des hat a Gschmäckle. Da stimmt was
nicht. Der Ort ist so merkwürdig. Der Ort kann kein Zufall gewesen sein.
Fegefeuer, Feuer, das alles verschlingt, Feuerteufel, Feuergott, the fire
inside.« Jo hielt irritiert inne.
»Na, da sind wir ja wieder bei den Okkultisten«, sagte Gerhard
genervt.
»Das musst du zumindest als Gedanken zulassen. Und außerdem: Ich
assoziiere, du Hasenhirnchen von einem Gesetzeshüter«, maulte Jo retour.
»So was aus deinem Munde. Wo deine Nager doch die klügsten Kaninchen
der westlichen Hemisphäre sind. Aber gut, du Assoziationswunder, bei Feuer
fällt mir nur ein: Am Anfang war das Feuer. Urga!« Gerhard nahm ihren
witzelnden Tonfall auf und hieb sich tarzangleich auf die Brust
»Mensch, Gerhard«, plötzlich fuhr Jo hoch und rief, »am Anfang und
am Ende. Am Ende war das Feuer. Es geht um das reinigende Feuer. Es ist ein
Symbol. Der Tod im Feuer. Du bist genial, doch schlauer als die Karnickel!«
»Danke, ich hatte es irgendwie geahnt, dass ich den Löfflern was
voraus habe. Aber was nutzt uns das? Was wollte uns der Mörder sagen, wenn er
uns denn was sagen wollte? Genau das bezweifle ich.«
»Sei nicht so rational. Es sind nicht immer die sichtbaren Dinge.
Jetzt trau dir doch mal was zu. Los, ich erwarte Höhenflüge von dir.«
Gerhard lachte gutmütig. »Ja, natürlich, unsere Jo. Höhenflüge,
immer nach den Sternen recken. Wieso bleibst du nicht einfach mal am Boden?«
Jo war versucht, sofort aufzubegehren, aber dann sah sie ihn lange
an und lächelte. »Du musst dich nach den Sternen strecken. Auch wenn du dort
nie ankommst, eröffnen sich auf
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