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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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jetzt auch mal im Freizeitpark
Deutschland mitmischen. Und morgen Ski fahren gehen. Die haben Nebel angesagt,
aber weiter oben ist es bestimmt sonnig. Ich weiß das: Mittags duats auf«,
sagte Gerhard.
    »Dein Wort in Petrus’ Ohr. Wohin wollen wir?«, fragte Jo.
    »Grasgehren, Hörner, Ratholz oder auch bloß an den Mittag?«
    Jo überlegte. »Sei mir nicht böse, aber hier bin ich bekannt wie ‘ne
bunte Hündin. Jeder Zweite wird mich auf die Medienberichterstattung
ansprechen, ich werde im günstigsten Fall jemanden mit dem Skistock
niederstechen, im ungünstigeren Fall mit den scharfen Kanten köpfen. Lass uns
etwas Gebirge zwischen mich und meine beruflich so geliebte Region bringen.«
    »Hmm, wie wäre es mit Nesselwang? Das ist schon O-A-L , und Brauereien gibt es dort auch.
Vielleicht inspiriert uns die Nähe zum Brauereiwesen ja beim Nachdenken. Ich
hol dich ab.«
    Am nächsten Morgen röhrte Gerhards Bus gegen acht um die Kurve. Jo
warf ihre kurzen Slalom Carver hinein und kletterte auf den Beifahrersitz. Wie
immer ging die Heizung nicht. Es war ja auch Winter. Im Sommer lief sie stets
auf Hochtouren. Wie immer hörte sich der Bus an, als stünde ein
Tieffliegerangriff kurz bevor. Jo lächelte. Das Leben hatte so wenig
Konstanten, wenigstens war Gerhard eine.
    Sie fuhren am Buron-Lift vorbei, wo die Autokennzeichen wieder mal
Schwaben-Attacke verrieten. Als sie am Parkplatz in Nesselwang ankamen, bewies
der Wettergott, dass er ein Allgäuer war. Wie mit einem Ruck hatte er den
Nebelvorhang aufgezogen. Darunter kam feinstes Blau zum Vorschein, ein
Kornblumenblau über weißem Schnee.
    Nach den ersten Schwüngen begann Jo wieder zu leben. Das war
griffiger, pulvriger Schnee. Das war Echtschnee, kein fest gepresster
Kunstschnee. Schnee wie anno dunnemals, und Nesselwang selbst war so
ski-romantisch. Die eher musealen Lifte krochen zu Berge, anstatt als
Express-Bubble zu rasen. Es waren wenige Leute unterwegs. Eine
Wochentags-Idylle: Ein Skitouren-Geher in Uraltmontur stapfte gerade wild
umbellt von einem Berner Sennhund los. Einfach schön – und so viel Platz auf
den Pisten! Denn heute brauchte Jo viel Platz für extreme Schräglagen und weite
Radien, dann wieder eine steile Passage mit schnellen Kantenwechseln in bester
Slalommanier.
    Jo strahlte.
    »Ich liebe Nesselwang! Eigentlich darf ich das gar nicht sagen, weil
ich ja Werbung für meine Gebiete machen muss. Aber die Alpspitze ist für mich
einer der nettesten Skiberge, den ich kenne.«
    Gerhard schwang kopfschüttelnd neben ihr ab. »Du wirst nicht mehr
mit Janica Kostelic konkurrieren können. Zu Hilfe, gönn mir mal ‘ne Pause.«
    Jo grinste ihn an. »Na, bei deinem Hollereiduljö-Stil hätte ich auch
Probleme, und für den Ski, den du da fährst, bietet dir das Alpin Museum in
Kempten wahrscheinlich unanständig hohe Summen.«
    Gerhard war Traditionalist, der eigentlich nur Skitouren ging. Das
Ganze mit einem uralten Tourenbrett und in seinem geißbockartigen
Hoch-Tiefstil, den er sich nicht mehr abgewöhnen wollte.
    »Du fährst bei allen Schneebedingungen so, als bekämpftest du allen
Bruchharsch der Welt«, lästerte Jo.
    »Und du siehst mit seinem Carving-Armgewedel aus wie Engele-flieg.
Nur halb so anmutig«, konterte Gerhard.
    Jo gab Gerhard einen Knuff, er kippte über die Kante und lag auf der
Nase. Sie lachte.
    »Komm, zur Entschädigung geb ich dir ein Bier aus. Wo geruhen Herr
Geißbock dieses einzunehmen?«
    »Sportheim Böck, wo sonst, du Kostelic für Arme«, grummelte Gerhard.
    Weil der Lift so ein langsamer Einer-Sessel war, herrschte lange
Stille. Jeder hing seinen Gedanken nach. Geruhsam schaukelten sie zu Berge. An
Liftstütze vier hatten sich einige Rodler eingefunden, um die vier Kilometer
lange Bahn in Angriff zu nehmen. Im Steilhang zog ein Boarder seine Spur, die
Bäume sahen aus wie die Weihnachtsdekorationen in den Kaufhäusern: dicke
Wattebäusche auf grünen Zweigen. Und wäre Rudi-the-red-nosed-Reindeer jetzt aus
dem Wald getreten, hätte sich Jo wenig gewundert. Das war ein perfekter
Wintertag.
    So hätte die Saison beginnen müssen, dachte Jo und erschauderte beim
Gedanken an die bevorstehende Präsentation der Übernachtungszahlen. Die würden
vernichtend schlecht ausfallen. Das lag natürlich daran, dass die Peak-Zeiten
Weihnachten und Fasching schneelos gewesen waren. Aber jeder würde es auf das
Medienecho wegen des Funken-Toten schieben und auf Jo, die die Journalisten ja
zweifellos bewusst in die Mördergrube

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