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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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gut verträgliche
Leichtigkeit der Achtziger war um.
    Um kurz nach halb zwölf kam Gerhard auf dem Eselsberg an. Es war ein
Neubauviertel oben am Berg in Mehrfamilienhaus-Architektur, von der man vor
zehn Jahren angenommen hatte, sie sei angenehm fürs Auge. Dazwischen lagen
Doppel- und Reihenhäuser mit Handtuchgärten. Alles nett, schwäbisch, sauber und
ohne Geschichte. Kürten wohnte in einem Reiheneckhaus. Gerhard war einem Impuls
gefolgt, als er losgefahren war. Er parkte etwas vom Haus entfernt und
spazierte eine kurze Runde durch die Straßen. Um Viertel nach zwölf läutete er,
und die Tür ging auf. Der Mann hatte einen akkurat gestutzten Bart, war groß,
stämmig, etwa Ende vierzig und sah Gerhard überheblich an.
    Betont lässig zog Gerhard seinen Ausweis. »Kriminalpolizei Kempten.
Entschuldigen Sie den Überfall, aber kann ich Sie kurz sprechen?«
    Das Überhebliche war aus den Augen des Mannes gewichen, für Sekunden
lag ein Aufflackern von Panik darin, dann quälte er sich ein Lächeln ab.
    »Sicher, der Polizei stehen wir doch immer zur Seite.«
    Wen er mit »wir« meinte, war unklar. Womöglich seine Zunft? Der Mann
war Lehrer, oder besser Studienrat, und, wie Gerhard natürlich am Morgen
recherchiert hatte, am Mittwoch nur mit vier Vormittagsstunden gesegnet.
Deshalb war er auch daheim. Das hatte Gerhard zwar nicht wissen können, aber
irgendwie war ihm klar gewesen, dass ein Jobst Kürten nicht zum Shopping, ins
Café oder gar Frühschoppen ging.
    Kürten führte Gerhard in einen Wohn- und Bürobereich, an dessen
Wänden geballtes Wissen hochwuchs, Bücher, Zeitschriften in Aufstellern,
daneben eine Vitrine mit Fläschchen. Alles war aufgeräumt, akkurat geschichtet
und rechtwinklig angeordnet. Zeugnisse seiner Bildungsreisen schmückten Wände
und Vitrinen: eine marokkanische Tajine, eine balinesische Tempeltänzerin, zwei
afrikanische Schnitz-Elefanten. Der Raum wirkte ehrfurchtgebietend. Diese
Wirkung schien beabsichtigt zu sein. Kürten schwieg und starrte Gerhard
durchdringend an. Für einen Moment durchlief Gerhard das Gefühl aus seiner
Schulzeit, wenn er die Lateinvokabeln nicht gelernt hatte. Diese Sekunden
bleierner Schwere. Wen würde der Lehrer wohl aufrufen? Gerhard hatte eine leise
Ahnung vom Unterricht des Herrn-Mathe-Physik, als er sich auf einen Ledersessel
setzte, der ebenfalls einen Tick zu wuchtig war.
    »Ich ermittle im Mordfall Adi Feneberg«, sagte er ohne Kürten
anzusehen.
    Sonst nichts. Auch er beherrschte die Kunst des impulsgebenden
Schweigens. Ganz ohne Pädagogik-Studium.
    »Herr Feneberg ist tot?« Kürten runzelte die Augenbrauen.
    Na, wenigstens musste er nicht bei Adam und Eva anfangen, dachte
Gerhard. Immerhin leugnete er nicht, Adi Feneberg gekannt zu haben.
    »Ja, und ich nehme doch stark an, dass Sie das den Medien entnommen
haben.«
    »Nun, Sie werden es nicht glauben, wir haben keinen Fernseher!«,
bellte Kürten.
    »Aber sicher eine Zeitung, und ich wüsste kein Blatt, das nicht
darüber berichtet hat – zumal Adi Feneberg doch eine Person Ihres Interesses
war.«
    Gerhard war noch immer sehr, sehr höflich. Gefährlich höflich.
    »Da müssen Sie sich etwas konkreter ausdrücken. Was heißt
Interesse?« Kürtens Stimme war überheblich. So als würde er einen Schüler
abkanzeln, der zwar irgendwie um Antwort rang, aber eben nicht die richtigen
Begriffe fand.
    Gerhard ignorierte das. »Herr Kürten, Sie haben Ihren Bruder Peter
und Ihre Schwägerin Brigitte 1999 bei einem Lawinenunglück in der Litzenscharte
verloren. Sie haben daraufhin versucht, den Bergführer Heini Pfefferle zu
verklagen, obwohl der im Strafprozess freigesprochen worden ist. Das schien
wenig aussichtsreich, und wie man hört, wollten Sie nun auch Adi Feneberg
verklagen.«
    »Sie sind ja bestens informiert.« Kürten war nicht bereit, auch nur
einen Millimeter Terrain aufzugeben.
    »Berufskrankheit«, sagte Gerhard und schwieg.
    »Es kann doch nicht sein, dass diese Bergler Menschen in gefährliche
Fallen locken und dann keiner bestraft wird!« Echauffiert war Kürten
aufgesprungen.
    Gerhard musste sich beherrschen. »Ich möchte mir da kein Urteil
anmaßen, aber Fachleute und Gutachter haben keine Fahrlässigkeit feststellen
können.«
    »Die halten doch zusammen, diese Bergler. So was muss vor einen
neutralen Gerichtshof, einen, der nicht beeinflusst ist wie Kempten. Das ist
ein Bergler-Komplott!«
    Ja genau, am besten nach Karlsruhe, dachte Gerhard verbittert. Er,
selbst so ein

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