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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Bergler, kochte innerlich, blieb aber äußerlich völlig ruhig.
    »Von Locken kann ja wohl keine Rede sein, Ihr Bruder hat sich
freiwillig in die Hände des Bergführers begeben.«
    »Das ist es ja. Auf Treu und Glauben. Und mein Bruder wollte an dem
Tag auch gar nicht diese vermaledeite Scharte fahren. Mein Bruder hatte einen
anderen Berg im Sinn, aber der Bergführer hat ihn gezwungen. Und da setze ich
an: Mein Bruder wurde getäuscht.«
    Er hatte also auch den Jamtal-Prozess verfolgt und hatte vor, im
Dunstkreis des Summit-Club-Urteils, etwas rauszuschlagen. Gerhard sah zum
Fenster hinaus, zählte innerlich bis zehn und fuhr fort: »Lassen wir das mal
dahingestellt, darüber mögen wirklich die Gerichte entscheiden. Aber jenseits
der Schuldfrage von Heini Pfefferle hatten Sie auch Adi Feneberg im Visier,
oder?«
    »Jawohl!« Kürten stützte sich auf seinem Schreibtisch mit bedrohlich
abgewinkelten Armen auf, eine Haltung, mit der er wahrscheinlich arme
Schüler-Würstchen bedrohte. »Es kann doch nicht sein, Lawinenwarnstufe drei an
so einem Tag zu geben! Das hätte vier sein müssen. Und dann wäre der Bergführer
auf keinen Fall aufgebrochen.«
    Wenn Gerhard ganz ehrlich war, dann erschien ihm die Entscheidung
von Adi Feneberg wirklich zweifelhafter als die von Heini. Aber selbst wenn man
zweifeln wollte, es gab so viele kleinräumliche Gegebenheiten, dass so ein Wert
sowieso nur ein Richtwert sein konnte.
    »Aber auch hier wurden Ihnen wenig Chancen eingeräumt, überhaupt
einen Prozess anzetteln zu können.«
    Das Wort »anzetteln« hatte Gerhard mit Bedacht gewählt, und auch
Kürten hörte es wohl.
    »Selbst bei einer Vier könnte man am Oberjoch gefahrlos im Powder
fahren. Und bei null Sicht gibt es immerhin noch den Spießer Lift. Und auch am
Bolsterlanger Horn gibt es eine Vielzahl an Schneisen, die lawinensicher sind.
So einfach ist das nicht, Herr Kürten. Jeder Quadratzentimeter ist anders, und
ganz gefahrlos ist Tourengehen auch bei einer Lawinenwarnstufe eins oder zwei
nie.«
    »Ein Fachmann, was?«, fragte Kürten ätzend.
    Gerhard konnte es sich nicht verkneifen, zu sagen: »Ja, ich bin auch
so ein Bergler!«
    Kürten, wahrscheinlich an aufsässige Schüler gewöhnt, konterte: »Das
ist kein Diskussionsniveau! Also, was wollen Sie von mir?«
    Es verdirbt den Charakter, wenn man immer nur mit Menschen zu tun
hat, die einem unterlegen sind, dachte Gerhard. So viele Jahre am längeren
Hebel, ohne Kontrollinstanz, das war für Despoten ein viel zu einfaches
Betätigungsfeld.
    »Herr Kürten, Sie hatten extrem wenig Chancen, einen Prozess gegen
irgendjemanden zu führen, geschweige denn zu gewinnen. Und das wussten Sie.
Also haben Sie sich an Adi Feneberg eben anders gerächt. Durch Mord.«
    Kürten war kurz aus dem Konzept geraten, aber nur ganz kurz.
    »Und wieso habe ich nicht lieber diesen Bergführer ermordet? Kommen
Sie, das ist ja lächerlich. Da haben Sie ihre Hausaufgaben aber schlecht
gemacht.«
    »Ich habe meine Hausaufgaben fast immer schlecht gemacht, vor allem
in Mathe. Herr Kürten, wo waren Sie Samstag und Sonntag?« Gerhard ließ sich
nicht provozieren.
    Kürten lachte ein angewidertes Lachen. »Brauche ich denn ein Alibi
gleich für zwei Tage?«
    »Wo waren Sie?«, insistierte Gerhard.
    »Hier! Ich habe korrigiert. Und wahrscheinlich war ich mal mit
meiner Frau am Samstag beim Einkaufen, und am Sonntagabend waren wir beim
Italiener wie jeden Sonntag.«
    »Kann das jemand bestätigen?«, fragte Gerhard.
    »Na, meine Frau natürlich und die Bedienung im Restaurant.«
    »Und Ihre Frau ist leider momentan abwesend?« Gerhard lächelte ihn
an.
    »Sie ist in der Schule. Wir unterrichten am selben Gymnasium. Meine
Frau Latein und Französisch.«
    Der gesamte Bildungshorror! Gerhard schauderte. Latein, wo er nie
über »Gaius et Julius ambulant« hinausgekommen war, und Französisch, eine
Sprache, die er wegen der Grammatik abgrundtief gehasst hatte. Dieses Ehepaar
hatte ja etwas von einem Gruselkabinett. Er erhob sich.
    »Herr Kürten, ich danke für Ihre Zeit, und es wird Ihnen ja sicher
nichts ausmachen, dass die Ulmer Kollegen sich noch mal bei Ihnen melden.«
    Der hatte gesessen, aber Kürten schüttelte lediglich den Kopf.
    Als Gerhard wieder in sein Büro kam, saß Evi an seinem Computer,
neben ihr ein Früchtequark. Sie sah aus wie ein Werbespot für leichte
Ernährung. Gerhard biss ohne schlechtes Gewissen in seine Leberkäsesemmel, die
er unterwegs erstanden hatte.
    Evi sah

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