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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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ihn dazu animieren, irgendwas
zuzugeben. Wir haben das erst allmählich gecheckt.«
    »Heini war immer ein Menschenfreund«, warf Gerhard ein.
    Petra lachte resigniert. »Ja, andere würden naiv dazu sagen. Man
sollte empfindsam sein, aber nicht empfindlich! Das war immer das Credo von
Heini. Wer Berge liebt und das weitergeben will, wer in einem
Dienstleistungsberuf – und das ist es nun mal – arbeitet, der hat so manche
Gratwanderung zu gehen. Aber nach so einer Geschichte, ist es schwer noch
empfindsam zu sein, ohne oft empfindlich zu leiden. Vor allem ist ja der größte
Witz, dass ausgerechnet diese Kürtens die Litzenscharte fahren wollten. Sie
haben genervt und gezetert, und im Prinzip war der Hang ja vertretbar. Aber
ohne das Generve hätte Heini vielleicht sogar was anderes gemacht. Wenn! Aber!
Lassen wir das. Du wolltest was über Kürten wissen. Nun – er ist ein
Psychopath, ein Besserwisser, ein Arschloch. Sorry, dass ich das so sage, aber
er hat sich total in die Idee verrannt, einen Schuldigen zu finden.«
    Gerhard spürte ein Kribbeln über seinen Nacken kriechen. »Und dieser
Kürten, würde er weitersuchen nach anderen Schuldigen?«
    »Ja – und das hat er auch. Ich weiß nur, dass sein Anwalt und wohl
noch einige andere Anwälte auch eine erneute Klage abgelehnt haben. Stell dir
das mal vor, wenn diese Geldgeier schon sagen: Das macht keinen Sinn.«
    »Wen wollte er denn sonst noch verklagen?«
    »Den Tourismusverband. Begründung: Sie hätten die Anbieter von
Tourenkursen nicht richtig geprüft. Dabei ist Heini staatlich geprüfter Ski-
und Bergführer, dazu staatlicher Skilehrer und neuerdings sogar Gutachter für
Canyoning-Unfälle. Da hat auch der geldgierigste Anwalt den Schwanz eingezogen.
Dann wollte Kürten die Lawinenkommission verklagen. Begründung: Sie hätten
generell an dem Tag Stufe vier geben müssen.« Es blieb einige Sekunden still.
»Du meinst jetzt aber nicht, dieser Jobst hätte Adi umgebracht?«
    »Ich meine gar nichts«, sagte Gerhard. »Vergiss das bitte gleich
wieder. Fakt ist einfach, dass wir Adis Umfeld und sein Leben beleuchten
müssen. Dieser Adi war ein so makelloser Typ, ohne Fehl und Tadel. Ermittle mal
in so einem Mordfall! Da zählt jedes noch so abwegige Fitzelchen. Wie fandest du den Adi denn, du hast ihn ja auch gekannt?«
    Sie schien zu überlegen. »Nun, wir haben ihn während der Prozesse
mehrfach getroffen. Er war immer absolut geradlinig. Er hatte nie auch nur die
geringsten Zweifel, dass seine Entscheidung möglicherweise falsch oder
zumindest grenzwertig gewesen wäre.«
    »Höre ich da einen gewissen Unterton in deiner Stimme?« Gerhard
wartete gespannt auf die Antwort.
    »Hmm, wenn man überkritisch ist, würde man sagen, er war ein
bisschen selbstgefällig. Andererseits war er in meinem Beisein wirklich
wahnsinnig nett zu Heini, hat immer gesagt, es gäbe für alles eine Lösung. Er
hat ihm Mut gemacht. Ach, ich weiß auch nicht. Irgendwie sind seit der Lawine
meine Gefühle aus den Fugen. Früher waren es die Aufgaben im Mathematikbuch,
heute sind es die Menschen. Gleich bleibt sich nur, dass man sich verrechnen
kann.«
    Nachdem Gerhard aufgelegt hatte, sah er lange aus dem Fenster, durch
das der Mond milchig-weiß hereinschien. Ab und zu zogen Wolken vorbei,
verdunkelten den Erdtrabanten und gaben dann sein Licht wieder frei. Gerhard
starrte hinaus, regungslos, und vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben gab
er vor sich selbst zu, dass auch er sich verrechnen konnte, verrechnet hatte.
So lange er mit Verbrechen zu tun hatte, so sehr er von der Wirrnis
menschlicher Emotionen betroffen war, er war doch immer nur beruflich
involviert gewesen. Von seinem privaten Leben hatte er das alles abgekapselt.
Aber heute, gerade jetzt, als wieder eine Wolke den Mond ins kurze
Schattendasein verbannte, wich all sein Optimismus. Er fühlte sich einsam,
ausgeliefert und auf einmal so mutlos, ein Gefühl, das er eigentlich nicht
kannte.
    Was würde Jo jetzt tun? Er lächelte. Gerade hatte er dieses Weib in
die Verbannung geschickt, und jetzt fiel sie ihm schon wieder ein. Also, was
würde sie tun? Wein trinken natürlich. Da blieb ihm nur ein zweites Weißbier.
Wurde er alt? Melancholisch? Ihn, den sein Vater immer »Mister Himmelblau und
Rosarot« nannte. Von seinem Vater hatte er dieses glückliche Naturell geerbt.
Gerhard lächelte. War das Einsamkeit? Fühlte sie sich so an? Wurde er alt? Er
war sich da nicht sicher, aber wenn Jo jetzt hier gewesen wäre,

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