Weinzirl 02 - Funkensonntag
Französischunterricht doch noch alles einfiel, außer
Voulez-vous …
Schimpfle stellte Gerhard und Evi vor.
»I hän des der Frau Kürten schon gsagt. Des sieht it gut aus. So a
falsches Alibi.«
Frau Kürten wirkte eher müde als eingeschüchtert.
»Ich habe diesen Fehler korrigiert. Mein Mann war im Allgäu«, sagte
sie mit einer Altstimme und sah Gerhard fest an, »und er hat mit Herrn Feneberg
gesprochen. Das hat er mir erzählt. Mein Mann ist manchmal etwas vorschnell,
aber er ist kein Mörder.«
»Woher nehmen Sie die Gewissheit?«, fragte Gerhard und sah ihr offen
in die Augen.
»Wenn Sie mit einem Mann so lange verheiratet sind …« Frau Kürten
merkte wohl selbst, dass das wenig überzeugend klang. Was wussten schon
Ehefrauen? Gerade Ehefrauen?
Gerhard wechselte das Thema. »Frau Kürten. Ihr Bruder ist Psychiater
und Neurologe?«
Sie nickte.
»Seine Praxis ist Teil seines Privathauses? Und dort gibt es mit
Sicherheit auch einen Medikamentenschrank?«
Erneute Zustimmung.
»Frau Kürten, Sie und Ihr Mann verkehren auch im Haus Ihres Bruders,
nehme ich an. Hatten Sie oder Ihr Mann Zugang zum Medikamentenschrank? Oder
genauer: Haben Sie das Rohypnol mit dem Wissen Ihres Bruders erhalten?« Gerhard
blinzelte dabei unter der Strubbelfrisur so freundlich heraus wie ein
Westhighland-Terrier.
»Aber, aber«, Frau Kürten wirkte völlig überrumpelt, »welches
Rohypnol? Mein Bruder gibt mir doch nicht einfach Medikamente! Und Sie glauben
doch nicht … glauben doch nicht … dass ich meinen eigenen Bruder bestehle?«
Gerhard zuckte die Schultern. »Hätte ich geglaubt, dass Sie offen
lügen, was Alibis betrifft?«
Frau Kürten zupfte hektisch an ihren Fingern.
»Sie bleiben also dabei, dass Ihr Mann im Allgäu war, mit dem Opfer
gesprochen hat, es aber ansonsten nicht angerührt hat. Ja?«
Wieder konnte sie nur nicken. Tja, dachte Gerhard. Sonst sitzt du
immer auf der anderen Seite, wenn arme Schüler partout das »le« und »la« nicht
richtig platzieren wollen. »Le« oder »la« assassinat? »Der« oder »die« Mord?
Schimpfle nickte ihm bekräftigend zu. »Sodele, dann gehen wir mal zu
Herrn Kürten.«
Jobst Kürten saß in einem zweiten Vernehmungszimmer vor einem Glas
Wasser und sprang auf, als Gerhard und Evi eintraten.
»Ihnen habe ich diese Freiheitsberaubung zu verdanken!«
Gerhard, der nette Terrier, zeigte auf einmal Zähne.
»Setzen!«, brüllte er. »Sie machen mir Spaß! Seien Sie froh, dass
Sie nicht gleich in den Knast gewandert sind. Und langweilen Sie mich jetzt
bloß nicht mit Falschaussagen.« Gerhard knallte ihm kurz die Aussagen seiner
Frau vor die Brust. »So, was sagen Sie dazu?«
Kürten schwieg, dann leerte er das Wasser in einem Zug.
»Gut, das stimmt. Ich habe Herrn Feneberg in der Frühe aufgehalten.
Ich wollte mit ihm reden. Nur mit ihm reden. Es ist, nun, sozusagen ein
unglücklicher Zufall, dass er später tot aufgefunden wurde.«
»Herr Kürten«, donnerte Gerhard, »Sie haben sicher mehr Ahnung von
der Relativitätstheorie als ich. Aber für mich sind das relativ viele Zufälle.
Ihr Hass auf Herrn Feneberg. Ihr Zusammentreffen kurz vor seinem Tod. Ihr
Schwager, der Zugang zu rezeptpflichtigen Medikamenten hat.«
Kürten begehrte auf.
»Aber ich würde nie meinen Schwager … Und er würde nie … Sein Beruf
ist ihm heilig.« Kürten geriet zusehends aus der Fasson.
Gerhard sah ihn durchdringend an.
»Und im Reigen dieser Zufälle, was hat Sie denn eigentlich zu Adi
Feneberg geführt?«
»Ich sage es doch, ich wollte mit ihm reden.«
»Und deshalb haben Sie ihn um fünf Uhr fünfzehn beim Joggen
aufgehalten? Toller Platz! Völlig normale Zeit für eine Unterredung!«, schrie
Gerhard.
»Ich musste ihn ja so überfallen! Er ist mir ausgewichen, ist nie
ans Telefon gegangen. Aber halt: Es war nie und nimmer Viertel nach fünf, eher
Viertel vor sechs!«
Gerhard runzelte die Stirn. Zeitangaben konnte er später überprüfen.
»Wozu das Ganze? Was wollten Sie von Herrn Feneberg?«
»Ich wollte Feneberg überreden, mit mir gemeinsam den Bergführer zu
verklagen. Zumindest gegen ihn auszusagen. Dann hätte ich ihn gehabt, diesen
Pfefferle. Ich war am allerwenigsten am Tod von Adi Feneberg interessiert. Ich
brauchte diesen Mann.«
Jetzt klang Kürten fast flehentlich.
In Gerhards Brust krampfte sich Hass zusammen. Diese Unbelehrbaren!
Dieser verdammte selbstgerechte Idiot! Er musste sich abwenden.
Evi sprang mit einer Frage ein. »Wieso hätte Herr
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