Weinzirl 02 - Funkensonntag
Feneberg das tun
sollen? Er und der Bergführer saßen doch sozusagen im gleichen Boot.«
»Ja, Bergler-Ehre, ich weiß!«
Gerhard machte einen Satz auf ihn zu. Nicht wie ein Terrier, sondern
wie ein gereizter Tiger. Evi ging nonchalant dazwischen. »Herr Kürten, noch
mal: Wieso hätte er das tun sollen?«
»Weil ich ihn in der Hand hatte. Ich wusste von seiner Krankheit. Er
war mal bei meinem Schwager in Behandlung. Weil das weit weg war vom Allgäu.
Und er wollte auf keinen Fall, dass das rauskommt«, rotzte Kürten ihr hin.
»Sie habet ihn erpresst.«, provozierte Schimpfle.
»Sozusagen.«
Gerhards Gedanken schlugen Kapriolen. Wenn das stimmte, war
Fenebergs Tod wirklich ungünstig für Kürten. Aber was, wenn er ihn massiv unter
Druck hatte setzen wollen? Ihm demonstrieren, dass er Macht hatte – so viel
Macht, ihn in einem Funken wieder aufwachen zu lassen? Gerhard war immer von
der Annahme ausgegangen, dass der, der von der Krankheit gewusst hatte, nie
Rohypnol angewandt hätte. Aber was, wenn Kürten einfach von der Wechselwirkung
keine Ahnung gehabt hatte. Kürtens Aussagen entlasteten ihn nicht, sondern
belasteten ihn eher.
Er winkte Evi und Schimpfle hinaus. Zu dritt spielten sie mit dem
Gedanken und waren sich sicher, dass sie unbedingt diesen Schwager verhören
mussten. Die Sache wurde immer undurchsichtiger.
»Herr Schimpfle, meinen Sie, dass Sie das mit dem Schwager
übernehmen können?«, fragte Gerhard. »Dann würden wir nämlich wieder nach
Kempten fahren. Denn da wartet immer noch Ludwig Haggenmüller auf uns. Wenn das
Kürtens Audi TT war, dann stimmt
Haggenmüllers Aussage, er sei einen Pajero gefahren. Aber wieso sagt er dann
nicht, wo er war? Ich hasse diesen Fall!«
»Ja, wie gsagt, das isch a komisches Gschichtle. Aber mir händ des
in Ulm im Griff. Den Kürten und den Schwager au.« Er zwinkerte Evi zu. Dann
sagte er zu Gerhard gewandt: »Stimmet Sie mit mir überei, dass wir ihn
dabehaltet und Frau Kürten laufen lasset?«
»Unbedingt«, nickte Gerhard und wollte sich anschicken zu gehen.
»Wisst Sie was. Sie händ sicher noch nichts zum Essen ghett. Da
machet Sie mir doch die Freid und gehet mit zu Enzo.«
Und auf einmal redete er perfektes Italienisch, als er die Menüfolge
erklärte. Er sprach ganz ohne Akzent-le. Evi schmolz augenblicklich dahin.
»Meine Mama isch von Como«, sagte er noch, und Evi war noch
begeisterter. Tessin, que bello!
Enzo war wirklich ein Juwel, aber auch über all den Köstlichkeiten
der cucina italiana blieb der Fall undurchsichtig.
Um sechzehn Uhr waren sie wieder in Kempten. Gerhard blieb am Auto
stehen.
»Ich fahre zu Robert Bruckner ins Büro. Ich muss ihm noch mal Beine
machen, seinen Mandanten endlich zum Reden zu bringen. Danach fahr ich heim.
Und wenn nicht gerade Haggenmüller auftaucht, will ich nicht gestört werden.
Klar?«
Evi nickte. »Klar! Ich setz mich noch ein bisschen an deinen
Computer«
Jos Donnerstag begann als typischer Bürotag mit Gästeanfragen und
Telefonaten. Dann hatte sie Gespräche mit Hoteliers zu bestreiten, die – wie so
oft – den Tourismusverband für die schlechten Buchungszahlen verantwortlich
machten. Nachmittags wollte der Bürgermeister darüber reden, wie Berlin mit der
»Funkaleich« umgegangen war. Zu Jos Überraschung und Erleichterung war der
Stadtgestrenge gar nicht da, dafür aber der Kämmerer, und der verlegte die
Sitzung kurzerhand in die Traube nach Diepolz. Da saßen der Wirt und der
Museumsbauer vor einem Weißbier – in trauter Winterruhe, weil das Museum nur am
Wochenende geöffnet war. Die kleine Tochter des Hauses, die »Juniorchefin«, war
gerade dabei, ihrer Freundin Geschenke vorzuführen »von dr Tante, dia glei neba
Holland wohnt.« Die Juniorchefin hatte sagenhafte Zahnlücken, die andere
legendäre Sommersprossen.
»Hallo Zahnlucka- und Rossmuckaclub!«, rief Jo und gab das Versprechen,
die beiden mal zum Reiten mitzunehmen.
Der Kämmerer und Jo bestellten Krautschupfnudeln, und Jos Bericht
fiel kurz aus, denn sie hatte wenig zu erzählen, außer von positiver Resonanz
auf den Melksimulator und auf die ganze Presseveranstaltung.
»Der Funkentote hat niemanden interessiert. Das Interesse ist
abgeflaut, der moderne Fernseh-Konsument vergisst schnell. Es gibt momentan
eine Gasexplosion in einer Ruhrpott-Schule und dazu verlässliche Schuldige: den
Hausmeister, den Bauingenieur, den Bauausschuss. Wir sind aus der Schusslinie.
Ich habe gestern diese magersüchtige TV
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