Weinzirl 02 - Funkensonntag
reihten.
»Aber wieso der Funken?«, fragte Gerhard.
»Auch das ist langsam entstanden. Die Jungs waren alle so bitter
drauf und so sarkastisch. Und irgendwann einmal sagte einer: ›Zur Hölle mit
ihm. Er gehört ins Fegefeuer. Jawohl, ins Fegefeuer der Eitelkeiten!‹ Sie haben
hysterisch gelacht, und auf einmal hat Quirin ganz ernst gemeint, es gäbe ein
Fegefeuer im Allgäu.«
»Und dann haben sie diese Idee entwickelt, einfach so?«
Gerhard fühlte, wie ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
Der Haggenmüller, das wäre ein Verdächtiger für ihn gewesen. Und er wünschte
sich, die Spur zu Jobst Kürten sei noch etwas wert. Denn das, was sich hier
andeutete, konnte er einfach nicht fassen.
»Heute kommt mir das auch extrem abwegig vor. Aber es war doch nur
ein Gedankenspiel. Quirin erzählte von Adis morgendlichem Joggen und meinte, er
würde ihn aufhalten, betäuben, in den Funken legen und zwar so, dass er wieder
aufwachen würde. Sie redeten von einem Fegefeuer. Zur Läuterung. Er sollte
langsam realisieren, wo er war. Er sollte die Panik spüren. Die drei haben
geredet, als würden sie einen Urlaub planen.«
»Es sieht aber so aus, als hätten sie es wirklich getan! Irene! Es
sieht auch so aus, als hätte Steffen Rohypnol besorgt, um Adi Feneberg zu
betäuben. Für ihn war das kein Problem. Sie sagen, er ist da?«
»Ja, oben.«
»Sie haben Verständnis dafür, dass ich mit hinaufgehen muss?«
Irene nickte und wies Gerhard den Weg ins Obergeschoss. Sie öffnete
vorsichtig eine Tür. Das ungemachte Bett war leer.
»Steffen! Steffen!«, rief Irene. Sie rannte zu einer Nebentür, die
ins Bad führt, und riss diese auf. Auch dort war nur Leere.
»Er ist weg«, stammelte sie. Sie rannte die Treppe so schnell
hinunter, dass Gerhard Mühe hatte, ihr zu folgen. Sie stürmte hinaus und
stemmte die Garagentür hoch.
»Er ist weg, das Auto ist weg!«
In dem Moment klingelte Gerhards Handy. Evi war dran.
»Jos Auto steht in Immenstadt. Das von Heini Pfefferle am Fellhorn.
Jo und drei junge Männer wurden gesehen, wie sie mit Tourenausrüstung in die
Gondel eingestiegen sind.«
Heini, Quirin, Steffen und Jo! Zum ersten Mal hatte Gerhard wirklich
Angst. Nackte Angst. Er durfte jetzt keinen Fehler machen. Jeder Fehler konnte
tödlich sein! Tödlich für Jo!
»Wer von den Kollegen kann Ski fahren, richtig gut Ski fahren?«,
fragte er.
»Warte mal ‘ne Sekunde.«
Evi war nach zwei Minuten wieder dran und klang überrascht. »Meierl
ist früher mal im Skiclub gewesen, und Markus kann wohl sehr gut snowboarden.«
»Die sollen in Skiausrüstung ans Fellhorn fahren. Sofort. Ich treff
sie da. Du informierst die Bergwacht und nimmst jetzt gleich Irene Seegmüller
in Empfang, die ich dir ins Präsidium schicke.«
Er sah Irene scharf an, die nickte.
Gerhard jagte über die Autobahn. Er fuhr Bleifuß auf der linken
Spur. Er hatte einige Aquaplaning-Ausreißer, aber er heizte unvermindert
weiter. Bis die Kollegen eintrafen, vergingen fünfzehn Minuten. Sie waren
allein in der Gondel. Es war zwölf Uhr, das Wetter war nicht dazu angetan, an
einem Wochentag Skifahrer anzulocken. Die wenigen, die im Gebiet unterwegs
waren, saßen wahrscheinlich in einer Skihütte. An der Bergstation erfuhr
Gerhard, dass die vier Richtung Bierenwang-Hütte unterwegs gewesen waren. Sie
fuhren schnell und konzentriert. Als sie vor der Alpe abschwangen, hatte der
Schnee einige Bänke komplett zugeweht.
»Do gohts heit ja zua! Was wend dir denn alle?«, war das Erste, was
die drei Polizisten zu hören bekamen, als sie die Tür aufstießen und mit ihnen
eine ganze Ladung Schnee herein stiebte.
»Waren Leute da?«
»Drei Männer und a jungs Wieb. Dr ui war dr Heini, dr Bergführer.
Dia sind grad erscht naus.«
»Was haben die hier gemacht?«, Gerhard sprach schnell.
»Eabbas trunka. I glaub dia wolltet no a kluine Tour macha. Mei,
wenn dr Heini do isch, hon i denkt.« Er schaute Gerhard zweifelnd an, dessen
Miene finster und angespannt war.
»Tassen!«, schrie Gerhard. Wo sind die Tassen, aus denen die
getrunken haben?
»Ja, in dr Kucha!«
Gerhard stürzte in die Küche, wo ein junges Mädchen sich eben
anschickte, ein Tablett voller Geschirr abzuspülen.
»Hast du die Gläser der letzten Gäste schon gespült?«, rief er.
Sie schaute mit ihren großen schwarzen Augen wirklich aus wie’s
sprichwörtliche Schwälble, wenn’s blitzt.
»Herrgott, hosch des Gschirr scho aglichet?«, brüllte Gerhard.
Sie zuckte
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