Weinzirl 03 - Kuhhandel
tun?«
Gerhard schüttelte
erneut den Kopf. Er stand auf und verabschiedete sich. Ostheimer hatte einen
festen Händedruck und einen festen Blick.
»Auf Wiedersehen,
Herr Weinzirl.«
Als Gerhard in
Richtung Vilstalstraße ging, war er wütend. Am meisten auf sich selbst. Wie
hatte er sich nur einmal mehr auf Jos verzwirbelte Gedankengänge einlassen
können? Er sah sie in der Eisdiele vor einem Eiskaffee sitzen. Er warf sich auf
einen Stuhl und machte Jo unmissverständlich klar, in was sie ihn da
hineingeritten hatte. Jo versuchte, sich zu verteidigen, und als ihre Stimme so
laut wurde, dass an den Nachbartischen die Eisbecher zu wackeln begannen,
zischte Gerhard: »Wir fahren jetzt!«
Erst im Auto gelang
es Gerhard, die Fassung wiederzuerlangen. Er gab das Gespräch mit Ostheimer nun
nochmals kühl und unemotional wieder.
»Er hielt Svenja für
eine Zockerin.«
»Zockerin? Gerhard,
ich bitte dich. Kennst du den Unterschied zwischen einem Zocker und einem
Abenteurer? Ein Zocker hat nur ein Ziel – einzig und allein den Gewinn. Egal,
ob das Spielbanksüchtige oder eBay-Junkies sind. Zocker sind völlig fokussiert
auf das Spiel. Ein Abenteurer funktioniert ganz anders. Das sind Typen, bei
denen der Weg das Ziel ist. Jeder Schritt ins Ungewisse gehört zu dieser
abenteuerlichen Fahrt. Wenn überhaupt, dann war Svenja eine Abenteurerin.« Jos
Augen versprühten Blitze.
»Na prima! Und zum
großen Abenteuer gehört, dass sie ein Haus gekauft hat? Mit welchem Geld? Das
ist doch Wahnsinn!« Gerhard wurde wieder laut.
»Toll, natürlich, du
nennst Sehnsucht Wahn. Svenja wollte eine eigene kleine Tierklinik eröffnen.
Eine, die auch auf Homöopathie setzt, auf Bio-Resonanz, eine tiergerechte
Pflegestation. Sie war über vierzig, sie wollte es nochmals wissen, ihre
Sehnsüchte leben, ja – sich nochmals in ein Abenteuer stürzen. Mit der
Leidenschaft für den Augenblick, egal, wo der Weg hinführt. Aber das ist
typisch: Wenn ein Mann Sehnsüchte hat, ist er ein Visionär, bei einer Frau ist
das Wahn und Hysterie.« Jos Augen füllten sich mit Tränen.
»Jo, bitte jetzt
keine Emanzensprüche. Ich gestehe Frauen jede Menge Visionen zu, aber du kannst
die Augen nicht vor ihrer finanziellen Situation verschließen. Wo hat sie das
Geld her? Und jetzt fang bitte nicht an zu heulen!«
Jo schluckte. »Vielleicht
hat sie das Geld geerbt?«
»Nein, da gab’s
nichts zu erben. Jo, schau der Wahrheit ins Gesicht. Menschen ändern sich.
Menschen spielen tückische Spiele. Menschen erzählen Halbwahrheiten. Wie gut
kanntest du Svenja? Jo!«
»Gut genug, um zu
wissen, dass sie nie was Illegales getan hätte.« Jos Stimme erstarb.
»Jo, deine ach so
hervorragende Menschenkenntnis hat dich letztes Jahr aufs Böseste verlassen.
Das hätte dich fast das Leben gekostet. Erinnerst du dich?«
Jo wollte
aufbegehren, aber sie schwieg und starrte stur geradeaus auf die Straße.
»Oder ein ganz
anderes Beispiel: Denk an dein letztes Klassentreffen. Ich weiß nicht, wie
deins war, meins war bitter. Unsere Klassenschönheiten, die blonden Objekte der
Begierde, waren stinklangweilig, waren zweimal geschieden und hatten drei
Kinder von drei unterschiedlichen Vätern. Und einige Mädchen von damals, an die
ich mich nicht mal richtig erinnere, sind hochinteressante Frauen geworden. Die
eine ist Hoteldirektorin auf Mauritius, die andere wohnt in Japan, International
Affairs, was immer das ist. Und so ein Fall Mauerblümchen mit achtzehn ist
dermaßen attraktiv als Vierzigjährige, dass ich immer wieder hinsehen musste.«
Gerhard wurde lauter. »Nix ist fix, verdammt! Die Zeit und die Umstände
verändern die Menschen. Letztlich weißt du nichts über Svenja. Also, bitte
verschone mich jetzt und in Zukunft mit deinen wilden Theorien. Wie konnte ich
mich bloß auf so einen Schwachsinn einlassen. Ochsendoping!«
Jo hatte inzwischen
Gerhards Wohnung unter der Burghalde erreicht. Kaum bremste sie, sprang er aus
dem Auto. Wie hatte er nur wieder rückfällig werden können? Ihr zu glauben,
sich einwickeln zu lassen, aber auch, so unangemessen zu explodieren? Wie hatte
Evi gesagt? Jo brächte die besten und schlechtesten Eigenschaften in Menschen
hervor. Wie wahr – ihn reizte sie bis aufs Blut. Er versuchte, sich zu
beruhigen, und lehnte sich kurz noch an die Autotür.
»Johanna! Nimm es
zur Kenntnis: Das war ein Selbstmord. Svenja war sicher eine nette Frau, aber
sie war verzweifelt. Es ist bedauerlich, dass du eine Freundin verloren
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