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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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machen. Ihr hättet nie geblümte Vorhänge gebraucht. Ihr wärt nicht
samstags zu Adler und Real zum Einkaufen, in Ballonseide im Partnerlook. Ihr
hättet für Freunde auch aus dem Nichts noch ein Menü zaubern können. Ihr hättet
herrenlose Hunde und Katzen gesammelt. Ihr hättet nicht zugesehen, wenn der
Nachbar sein Kind prügelt. Ihr hättet kein Auto als Statussymbol gebraucht. Ihr
hättet Bier zum Lachs und Champagner zum Leberwurstbrot trinken können. Ihr
hättet die Angst fortgelacht. Ihr hättet euch oben an einem Berghang hinlegen
können und runterrollen wie die Kinder, über und über voller Grasflecken – wenn
es ein ›Ihr‹ gegeben hätte!«
    »Und du meinst, es
gibt nie mehr eine Chance dafür?« Jo war auf einmal todtraurig.
    »Ich weiß es nicht.
Ehrlich. Da bin selbst ich ratlos. Aber willst du das denn, und mehr noch: Will
Gerhard das?«
    »Ich weiß nicht.
Weder, ob ich das will, noch, was er will. Aber ich weiß, dass ich endlich mal
vorsichtig sein muss und leise und langsam.«
    »Ja, und bitte denke
fünfmal nach, bevor du sprichst. Die Worte entstehen bei dir einfach irgendwo
in der Magengrube, da, wo es zieht. Weil du immer mitten in Worten lebst und
mitten in Geschichten und verwirrter lebst, wenn es deine eigene Geschichte
ist.« Andrea klang eindringlich.
    »Ja, ich weiß das
doch, dass ich eine Dampfwalze bin.«
    »Du bist eben ein
Allgäuer Bergbauer, kein zartes Röschen im botanischen Garten oder ein feines
Wingert-Gewächs! Aber eine Chance gibt es: Gerhard ist auch so ein Bergbüffel.«
    Jo musste lachen.
»Und wie geht es nun weiter?«
    »Lass ihn in Ruhe.
Bitte! Keine Anrufe, kein Terror. Einfach warten. W-a-r-t-e-n. Nicht gerade
dein Lieblingswort, ich weiß.«

6
    Jo hätte auch wenig
Zeit gehabt, Gerhard anzurufen. Im Tourismusbüro war anderntags die Hölle los.
Die einen wollten Wanderkarten erstehen, die anderen die Termine für die
Viehscheid wissen. Ein Ehepaar kam hereingerauscht und beschwerte sich, dass
sie den letzten Lift vom Mittag runter verpasst hätten. »Da laufen wir diese
ganze beschissene Nagelfluhkette entlang, immer auf und ab, und meine Frau
hatte schon jede Menge Blasen, und da steht der Lift. Im Prospekt stand, dass
man mit der Hochgratbahn hinauffahren kann und mit der Mittagbahn runter.«
    Auf Jos Nachfrage,
wann sie denn am Lift gewesen wären, bekam sie 19 Uhr genannt! Und weitere
Nachfragen ergaben, dass die beiden erst um elf am Hochgrat gestartet waren.
Für eine siebenstündige Wanderung! Herr, lass Hirn regnen, dachte Jo und
versuchte, in freundlichen Worten zu erklären, dass sie dafür leider keine
Verantwortung übernehmen könne.
    So ging das den
ganzen Vormittag. Jo war momentan eine One-Woman-Show, die hundert Hände
gebraucht hätte und am besten ein paar Klone, um multilokal überall
gleichzeitig sein zu können. Während ihrer dreimonatigen Abwesenheit hatte Jos
Assistentin Patti den Laden geschmissen, ihr hatte man zwei Praktikantinnen
zugebilligt. Nun war Patti im Mutterschutz, die Praktikantinnen an der Uni, und
weitere Hilfe hatte das Stadtbudget nicht vorgesehen. Jetzt war Ende September,
und die Wandersaison im Gebirge galt anscheinend als nicht zugkräftig genug.
    Jo war so genervt,
dass sie um eins kurzerhand zusperrte und sich eine Mittagspause am Alpsee
gönnte. Sie schlenderte in Bühl am Ufer entlang und sah den Alpsee-Segler
herangleiten. Wie ein stolzer Schwan glitt er über den See. Bis um 1930 hatten
solche Schiffe noch Dienst am Bodensee getan, und weil Immenstadt mit
Immenstaad am Bodensee einen regen Austausch pflegte und schon zur Römerzeit
ein Handelsweg, die Via Decia, am Alpsee entlang hinunter zum Bodensee geführt
hatte, hatte der See eben ein solches Schiff, eine so genannte Lädine,
bekommen. Aus touristischer Sicht war diese altertümliche Schönheit aus blank
poliertem Holz für Jo natürlich eine tolle Attraktion, und jetzt war sie mit
fünfundzwanzig Personen voll beladen. Hermann Seltmann, der Initiator, der
keine Blechkiste als Seetaxi hatte haben wollen, fuhr selbst. Wegen der Windstille
heute ganz allein nur mit Elektromotor. Bei mehr Windstärken musste die Lädine
von einer richtigen Mannschaft gesegelt werden, denn dann demonstrierte die mit
8,7 Tonnen schwergewichtige Dame überraschende Leichtigkeit und
Geschwindigkeit.
    Jo winkte Seltmann
zu, plauderte mit einigen Leuten, schlenderte weiter zum Café Hauser, wo sie
sich jedes Mal über die Kletterkünste der »Cafékatze« freute, die über

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