Weinzirl 03 - Kuhhandel
und zwei verschlungene Pfade, die wir mal von allem Gestrüpp
befreien müssten. Variante eins: Jemand ganz anderer hat gewusst, dass Svenja
da in den Machenschaften dieser himmlischen Alp herumstochert. Oder aber Svenja
wurde deshalb wirklich nicht ermordet, sondern es geht doch um Liebe und
Leidenschaft zu dieser Karina. Das wäre eine ganz andere Spur, und wir müssten
dann diesen Dominik für den Täter halten.« Evi lehnte sich zurück, und man
spürte, dass sie ihren Job genoss. Sie ist eine analytische Denkerin, dachte Jo,
das bin ich weniger. Und irgendwo in einer Hirnwindung hallte dieses »Liebe und
Leidenschaft« in ihr nach. Aber der Transmitter schien gerade den synaptischen
Spalt nicht überwinden zu können. Jo war abgelenkt und verfolgte das weitere
Gespräch nur noch mit einem Ohr.
»Ja, Dominik dürfen
wir nicht vergessen. Aber etwas in mir wehrt sich dagegen, dass diese ganze
Dopingsauerei als Mordgrund einfach so verpufft. Wenn ich also deiner Variante
eins folge, Evi, dann müsste jemand einen massiven Nachteil davon gehabt haben,
dass Svenja die Sache aufdeckt. Wer?« Gerhard hatte immer noch das Gefühl, dass
seine Gedanken umherflatterten wie Fähnchen im Wind – getrieben, gebeutelt,
unkontrolliert.
»Nun«, Evi zögerte.
»Da haben wir wieder zwei Varianten. Dieser Ortlieb aus Lindau, wenn der so was
wie der Kopf des Ganzen war, hätte allen Grund. Oder aber mein zweites Angebot: Jemand, der diese Substanzen eingeworfen hat und der sie auch weiter gebraucht
hätte, wollte Svenja aufhalten.«
»Ja, genau. Das wäre
auch meine Annahme. Ich habe bereits die Kollegen in Lindau und Bregenz um
Hilfe gebeten, diesen Ortlieb privat und beruflich zu durchleuchten. Und wir
sollten die Kunden von Seppi überprüfen. Wie weit ist Chemie-Ottochen denn
gekommen?«, fragte Gerhard.
»Nun, er hat zehn
Namen rekonstruiert, vier oder so sind unwiederbringlich weg«, sagte Evi.
»Gut, immerhin. Noch
eins: Was mir an dieser Theorie noch aufstößt, ist die Tatsache, wieso
ausgerechnet einer der Kunden gewusst haben soll, dass Svenja dabei war, einen
Dopingskandal aufzudecken. Da wusste doch sowieso keiner was vom anderen. Wieso
einer der Kunden? Wenn Svenja, wie Jo sagt, clever war, beherzt und sehr
vorsichtig, dann hat sie sich wohl kaum großartig offenbart. Oder, Jo? – Jo?«
Jo war immer noch in
Gedanken. Liebe und Leidenschaft? »Ja, entschuldigt, ich war abgelenkt.«
Evi wiederholte
Gerhards letzten Satz.
»Svenja war immer
umgänglich, aber verschwiegen und zurückhaltend, wenn es um substanzielle
Sachen ging. Und sie wusste, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen
konnte. Sie hätte niemanden eingeweiht, nie!« Davon war Jo überzeugt.
»Frau Ostheimer
vielleicht?« Evi wiegte den Kopf.
»Glaube ich nicht.
Svenja war misstrauisch – oder sagen wir mal, vorsichtig. Sie hätte nicht
sicher sein können, ob das liebe Röschen da nicht doch mit drinhängt.«
»Das sehe ich auch
so«, schaltete sich Gerhard wieder ein. »Aber gab es denn gar niemanden, dem
sie vertraut hätte?«
Jos Kopf wandte sich langsam Gerhard zu. Sie musste einen sehr merkwürdigen Gesichtsausdruck haben,
weil Gerhard sie so prüfend ansah. Liebe und Leidenschaft?
»Es gibt nur ein
Feld, auf dem kluge, beherrschte Frauen kapitulieren, besiegt werden und jede
Taktik vergessen: die Liebe.«
Evi schwieg, Gerhard
ließ seinen Kugelschreiber mehrfach auf- und zuschnippen. »Soweit wir wissen,
hatte sie aber keinen Freund, oder?«
Evi stöberte in den
Protokollen. Sie überflog den Papierstapel, bis sie schließlich sagte: »Ich
habe die Aussagen von Frau Bodenmüller. Sie sprach doch von einem jungen Mann,
der Svenja ab und zu aufgesucht habe. Das war im Frühsommer.«
Jo schaute von Evi
zu Gerhard. »Frau Bodenmüller?«
»Frau Bodenmüller,
die resolute Hausfrau, die Vermieterin von Svenja, hat ausgesagt, dass Svenja
im Frühsommer öfter mal Besuch von einem jungen Typen hatte. Weißt du da was
davon?« Gerhard blicke Jo forschend in die Augen.
»Nichts Konkretes.
Svenja war keine, die beim Kaffeekränzchen die Vorzüge und die anatomische
Ausstattung ihrer Lover diskutiert hätte. Dass er jünger war, kann gut sein.
Sie hat immer gesagt: Alt werden sie von selber.« Jo versuchte ein Lachen, das
ihr misslang.
»Hätte sie so einem
vertraut?« Evi war skeptisch.
»Evi, du kennst doch
das Dilemma starker Frauen. Sensationell verlässlich und perfekt im Beruf,
immer beherrscht. Immer behaftet mit der Etikette: Du
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