Weinzirl 04 - Gottesfurcht
wieso?«
»Ja, Herr Weinzirl,
wieso? Das sag ich Ihnen. Südtiroler Schnitzwaren sind weit billiger. Nun,
bemale ich so eine gefräste Figur aber mit der Hand, dann sieht sie gleich viel
wertiger aus. Und ich verkaufe sie zum Preis des echten Handwerks und fälsche
den Stempel des Lukasvereins.«
»Aber das ist
Betrug!«, rief Gerhard.
»Ja, das ist es. An
den Kunden, mehr noch an den Kollegen.«
Gerhard sah sich die
Figuren lange an. Er wusste längst, worauf das alles hinauslief. »Und diese
rechte Maria haben Sie von Kölbl, oder?«
»Ja, dieser miese
Betrüger. Es ist eine Schande für uns alle. So das Handwerk in den Schmutz zu
ziehen. Aber das hat man davon, in seinen Adern fließt eben nicht das Blut
jahrhundertelanger Tradition.«
»Stuckenzeller, mir
drängen sich zwei Fragen auf. Erstens: Wieso und woher haben Sie die Figur von
Kölbl, und zweitens: Ist Ihnen klar, dass Sie jetzt erst recht zum
Mordverdächtigen werden?«
Stuckenzeller
schnappte nach Luft. »Woher ich die Figur habe? Das ist doch scheißegal. Ich
hab sie eben.«
»So egal ist das nun
wieder nicht, Kölbl wird sie Ihnen kaum freiwillig gegeben haben. Haben Sie die
einfach so gekauft? Und wenn ja, wo? Mann, Stuckenzeller, das nette
Plauderstündchen – und ich bedanke mich durchaus für das lehrreiche
Insiderwissen – ist nun vorbei! Also?«
»Einige Schnitzer
des Lukasvereins hatten Kölbl schon länger in Verdacht. Natürlich verkauft er
die Figuren nicht in Oberammergau. Er vertreibt sie irgendwie im Norden
Deutschlands. Wir haben diese Figur beschafft, einige seiner Figuren.«
»Beschafft! Haben
Sie eingebrochen? Halten Sie mich doch nicht zum Narren.«
»Wir haben sie, Ende
der Durchsage, und damit war unser Verdacht bestätigt.«
»Und deshalb haben
Sie den Mann umgebracht?«
»Für wie blöde
halten Sie mich? Ich habe Ihnen das kaum erzählt, um mich, um uns Kollegen zu
belasten!«, schrie Stuckenzeller.
»Das tun Sie aber
soeben. Wer gehört denn zum Kreis der Kollegen?« Gerhard war nun auch lauter
geworden.
»Das werde ich Ihnen
nicht auf die Nase binden! Wir sind Ehrenmänner.«
»Schöne Ehrenmänner,
die Figuren beschaffen . Stuckenzeller, ich glaube, Sie verstehen nicht
ganz, worum es hier geht. Um Mord! Ich kann Sie festnehmen lassen, wegen
dringenden Tatverdachts. Auch ohne DNS -Gleichheit.
Stuckenzeller, Sie sind doch kein Dummkopf: Versetzen Sie sich kurz in meine
Lage: Sie verbringen die Tatzeit angeblich am Friedhof. Keine fünfhundert Meter
Luftlinie entfernt vom Tatort. Prächtig! Und nun erzählen Sie mir, dass ein
Haufen von ehrenwerten Lukasschnitzern den Kölbl …«
»St.-Lukas-Verein
…«, unterbrach ihn Stuckenzeller.
»Von ehrenwerten was
auch immer Schnitzern ziemlich sauer auf Kölbl war, namentlich wegen dessen
Betrugs. Sie müssen es ja gar nicht gewesen sein. Ist es nicht nahe liegend,
dass sie gemeinsam über Kölbl hergefallen sind? Sie sagen mir jetzt
augenblicklich, wer alles dazugehört zur Ihrer sauberen Beschaffer-Clique!«
Stuckenzeller
stöhnte mal wieder und presste heraus: »Der Lutz, der Hareither, der
Korntheurer und ich.«
»So, und diese
Herren werde ich jetzt mal aufsuchen«.
»Den Lutz können Sie
gleich streichen, der ist seit 20. Dezember in Miami und kommt erst am 4. wieder.
Hah, und der Korntheurer, den könnens sich gerne ansehen. Der hatscht wie ein
klauenkrankes Rindvieh, und dann ist der nicht blöd gesoffen, sondern
naturblöd. Zu blöd und zu schwach für einen Mord.«
»Na, da bleiben ja
schon wieder bloß Sie oder der Herr Hareither. Der Sie praktischerweise ja auch
am Friedhof gesehen hat. Sie können mich bei dem gerne ankündigen und die
Herren vorwarnen. Richten Sie ihnen aus, dass die sich nicht von der Stelle
rühren sollen. Rufen Sie an, Sie haben doch ein Handy.«
7
Gerhard rumpelte aus
der Tür und ließ diese geräuschvoll ins Schloss fallen. Einem Impuls folgend,
beschloss er, erst mal bei Josefa Heringer vorbeizusehen. Von Stuckenzellers
Werkstatt neben dem Theatercafé führte ihn der Weg wieder auf die Dorfstraße. Es
war was los in Oberammergau. Die Winter-Hauptsaison war in vollem Gange, und
heute hatte es aufgeklart, die Sonne kämpfte sich immer wieder hinter dicken
weißen Wolken hervor. Weißblaues Bayern. Skifahrer, die ihre Carver geschultert
hatten und in ihren Skistiefeln anmutig wie Seekühe hatschten, kreuzten seinen
Weg. Eine Frau mit Latten auf der Schulter drehte sich urplötzlich so, dass sie
Gerhard fast abgewatscht
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