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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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gehen? Wirklich sehenswert aber war das, was
oberhalb der Gürtellinie in den Blick rückte. Jo trug ein helles Lederhemd, und
zumindest ein Knopf hätte besser geschlossen gehört. Oder auch zwei! Denn so
war das, was der ebenfalls braune Samt- BH da tat, nicht mehr mit dem Wort »Hervorspitzen« zu beschreiben. Trotzdem wirkte
das ganze Outfit eher lässig, und der Einblick war eher so, als hätte sie
versehentlich vergessen, den Knopf zu schließen. Seit wann inszenierte sich
seine Jo so? Seine Jo? Gerhard erschrak ein wenig. Die er in Bergschuhen,
Radlerhosen, Karohemden von der Baywa und Latzhosen mit Pferde-Odeur kannte.
    Was er durchaus
kannte, war Jos Gabe, in kürzester Zeit im Mittelpunkt zu stehen. Sie war eine
Rattenfängerin, immer gewesen. Auch ohne so ein Dekolleté wie heute. Sie
strahlte Gerhard kurz an, warf die Haare zurück und flirtete weiter mit Toni,
der ihr angesichts ihrer Stiletto-Stiefel bis eben zu jedem Dekolleté reichte.
Jo, wieso so affektiert? Gerhard blickte in die Runde. Alle anderen waren
begeistert von dieser Frau. Warum war er so kleinlich? Oder war das Eifersucht?
Er kippte eine Medizin hinunter und gesellte sich zu der Runde, die nun auch
durch die Rote Zora bereichert wurde. Geplänkel, witzige Wortwechsel wie ein
Pingpong-Spiel, was war es nur, das Gerhard so störte?
    Schließlich klemmten
sie sich an den kleinen Tisch hinter der Kasse, und Gerhard sah Jo noch mal
ganz genau an. Ihre Augen glänzten, sie wirkte erhitzt. Kein Wunder, sie hatte
getanzt wie damals im Pegasus, wo sich an ihrem ausschweifenden Tanzstil die
Geister geschieden hatten. Er hatte das damals erotisch gefunden, andere
exaltiert. Die Frauen, die nicht Jos Freundinnen gewesen waren, hatten es
exaltiert gefunden. Und Jo hatte immer mehr Feindinnen als Freundinnen gehabt.
    »Was schaust du so?
Ist doch nett hier!«, sagte Jo und lachte herausfordernd.
    »Wieso bist du
gekommen?«
    »Weil Silvester ist.
Weil ich Sehnsucht nach dir habe. Jetzt sei doch nicht so sperrig. Man muss die
Feste feiern, wie sie fallen.«
    Wieso glaubte er ihr
nicht? Er war wirklich sperrig. »Und deine Felldeppen? Kriegen die nicht
Panikattacken bei Silvesterkrachern?«
    »Resi geht mal
rüber. Außerdem ist Göhlenbühl ja nicht gerade der Times Square. Was ist
eigentlich los mit dir? Ich wollte dich sehen. Ich kann ja wieder gehen!«
    In dem Moment begann
die Red Sina Band wieder loszulegen. »Sie spuin wieder«, sagte Jo und betonte
das »spuin« übertrieben wie in einem schlechten Einakter. Sie stand auf und
folgte der Breitling auf die Tanzfläche.
    Sie kam einige
Stücke später retour und sank auf den Stuhl. »Tut mir Leid«, sagte Gerhard.
    »Aha!«
    »Ja, wirklich. Aber
du bist heute so, so …?«
    »So?«
    »So aufgedreht, und
wenn ich es nicht anders wüsste, bist du auf Männerfang. Auf Teufel komm raus.«
    Sie beugte sich vor
und ließ auch ihn in den Genuss des provozierenden Dekolletés kommen. »Weißt du
eigentlich, was du willst, Weinzirl? Vor noch nicht allzu langer Zeit wolltest
du, dass ich mit dir hierher komme. Nun schau ich mir die Lage mal an, da ist
es dir auch nicht recht. Es ist Silvester. Früher warst du kein solcher
Partymuffel und so ‘ne Spaßbremse. Im Gegenteil. Ich erinnere an die
Pyjamapartys im Pegasus. War es nicht ein gewisser Weinzirl, der coram publico
in einem der aufgebauten Betten, na du weißt schon. Mit dem blond gelockten
Töchterlein des Englischlehrers! Und nachdem dein Interesse für mich ja eher
minimal ist, gute Idee, einen anzubaggern. Wen soll ich nehmen?«
    Gerhard schluckte.
»Ach Jo, auch wenn ich dich nerve, aber du ziehst eine Show ab, so kenn ich
dich nicht.«
    »Ja, wie hättest du
mich denn gern? Als die ungeschminkte Braut des Bergfexen? Im Blaumann? Jetzt
sag ich dir mal was: Ich werde vierzig, und das kotzt mich an. Mit fünfzehn war
es gut, hübsch zu sein. Mit siebzehn war ich hübsch und ein bisschen mit
verruchtem Lolita-Charme gesegnet. Mit fünfundzwanzig war es sehr hilfreich in
Studium, Ausbildung und Beruf hübsch, verführerisch und verdammt clever zu
sein. Das wirkte bis Anfang dreißig. Aber mit vierzig? Ich soll es ganz toll
finden, endlich vierzig zu sein. Es wimmelt von Büchern zu diesem Thema, von
bekennenden Frauen, die nun endlich guten Sex haben. Scheiße, ich hatte vorher
genug guten Sex, gerade du müsstest das wissen. Das ist doch ein Joke !
Auf einmal soll es ein Wert sein, nur noch clever und interessant zu sein. Das
ist doch gemein. Weil

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